Samstag, 26. September 2015

30 ist eine Zahl zwischen 1 und 100.

Folgendes. Ich hatte mehrere Anläufe gestartet, einen Text zum Thema "30 werden" zu verfassen, und habe immer irgendwann aufgegeben. Dementsprechend lang haben meine Weisheiten jetzt auch gebraucht.
Und zwar, weil -
Weil ich immer irgendwann gemerkt habe, was soll ich denn sagen, das irgendwem irgendetwas bringen würde? Was bringt es, wenn ich hundert Seiten darüber schwadroniere, wie krass ich die Idee von drei Jahrzehnten finde, wenn es andere völlig kalt lässt (auch nurn Geburtstag ... wo sie recht haben)? Oder wenn ich der Welt mitteile, was man meiner Meinung nach vor der 30 mal gemacht haben könnte, womit man sich arrangiert haben könnte, worüber man schon mal nachgedacht haben könnte etc. etc. und bla bla bla. Nix bringts nämlich. Seltsame Idee, dieses etwas an einer Zahl festmachen. Der Gedanke, dass man mehr vom Leben verstehen muss, wenn man älter wird. Oder sich selbst besser verstehen muss. Ohne Zweifel lernt man über die Jahre dazu, nichtsdestotrotz gibt es Leute, die sind mit 24 weiser als andere mit 50. Altersweisheit, überhaupt. Was, wenn dieser Zustand nicht existiert und wir ihn uns bloß einreden? Was, wenn die Solipsisten recht hatten und sowieso alles nur ein einziger Bluff ist? (Oder so. Philosophen, bitte steinigt mich nicht.)
Was, wenn einfach bei allen alles anders ist als bei allen anderen, weil wir alle Individuen sind, deren Leben nicht anhand von Alterserwartungen gemessen werden kann?
Tja, verdammt. Was machen wir bloß, wenn wir uns nicht mehr in Schubladen ordnen können, wenn jemand mal was anders macht oder sich anders entwickelt als alle anderen. Wenn jemand mit 30 noch nicht erwachsen sein will oder kann, oder wenn jemand mit 40 kein Bock auf Kinder hat, oder wenn jemand schon mit 16 Mutter wird. Scheiße, da fallen die Leute durch alle Raster hier - und jetzt?
In jedem Fall: es gibt kein Fazit zum Thema "30 werden". Es gibt auch keine Liste, oder Ratschläge, oder irgendwas. Stattdessen gibt es ein: tut doch, was ihr wollt! Und tut es, wann ihr wollt. Ich persönlich (und ich bin ja leider auch jemand, der irgendwo viel zu viel auf das gibt, was erwartet wird. Weswegen ich schrecklich viel Zeit damit zugebracht habe, über diesen blöden Geburtstag nachzudenken. Aber! Nachdenken tut Not. Und ob man das jetzt tut, weil man 30 wird, oder weil man einfach nur nachdenken will, ist ja auch irgendwie egal) finde 30 bislang ziemlich geil. Und nein, nicht nur, weil ich jetzt die nächsten zehn Jahre eine 3 an mir pappen haben werde (fantastische Zahl, besser wird nur 70). Also, nicht nur.

So! Nachdem dieses Thema nun also abgearbeitet ist, ein wenig weniger esohafte Gefilde. Denn! Es existiert eine Liste (oh nein, also doch ...) über die Filme, die ich sehen will, zwischen jetzt und Silvester (Schwein gehabt). Sie ist vorläufig, sie ist großartig, sie ist lang.
Obacht! Here it goes:
(Man beachte, dass dieser Text eine Weile vor sich hingestaubt hat schon. Demenstprechend sind ein paar der Filme bereits angelaufen ... aber es ist ja nichts gegen einen guten Filmbinge einzuwenden, also gehet hin und schauet alle am Stück. Ich befürworte.)

- Frank (27.8. - hat mich auch überrascht! Dachte, der wäre schon gelaufen hier)
- Queen of the Desert (3.9.)
- Knight of Cups (10.9.)
- Life (24.9.)
- Maze Runner II (24.9. - Juchee! Juchee!)
- The Martian (8.10.)
- American Ultra (15.10. - Jesse Eisenberg, ach, wat ham wir dich vermisst!)
- Crimson Peak (15.10. - wenn ich nicht zu sissy bin dafür ...)
- The Tribe (15.10. - vielleicht. Vielleicht auch nicht)
- James Bond: Spectre (5.11. - Lalaa! Lalaa! Tataratataa! Ich freu mich)
- Irrational Man (12.11. - YES. Absolut. Woody Allen, Joaquin Phoenix UND Emma Stone. YES.)
- Mockingjay II (19.11. - Aaah. Ich bin SO gespannt)
- Diary of a Teenage Girl (19.11. - vielleicht)
- Me an Earl and the Dying Girl (3.12.)
- By the Sea (10.12.)
- Mistress America (10.12. - YES the sequel. Und wer Frances Ha noch nicht gesehen hat, der tue das. Schnell.)
- Star Wars (17.12. - aah. Die Musik spielt in meinem Kopf. Jetzt schon. Unablässig.)
- Carol (17.12. - Cate Blanchett and Rooney Mara go lesbian. Yay!)
- Joy (31.12. - we'll see)
- The Danish Girl (7.1. - jahaa, ich weiß, dass Silvester da schon rum ist. Trotzdem!)

Ja. Falls ich noch dazu komme, werde ich eventuell gelegentlich dazwischen duschen und ein Häppchen essen. Ansonsten findet ihr mich im Kino ...
Zusatz: Maze Runner. Erwähnte ich, dass ich die ganze Reihe in einer Woche gesuchtet habe? War ne gute Woche. Vermutlich die besten eigentlich irgendwie schlechten Bücher aller Zeiten. Und! Ich habe sie mir nun auch als Print gekauft. In einem Schuber. Einem Buchschuber. Mein erster, teurer, zu viel Wert auf Optik legender Buchschuber. Aber!
Ich darf das jetzt. Ich bin jetzt 30!

Dienstag, 25. August 2015

Bücher! Bücher!

Freunde des gehobenen Unfugs!
(Vorab: vor lauter Begeisterung über diesen nun folgenden Blog habe ich mich eben unter der Dusche am Duschwasser verschluckt. Da seht ihr mal, was ich hier auf mich nehme.)

Ich bin Literaturwissenschaftler. Naturgemäß sollte ich euch nun also erzählen, wie sehr ich es genossen habe, meine bisherigen Semesterferien damit zuzubringen, nochmal Goethes Gesamtwerk zu lesen und, zur Erholung nebenbei, alle Rollen im Othello auswendig zu lernen, im Original und mit Akzenten (ich weiß nicht, was ich für ein komisches Bild von Literaturwissenschaftlern habe, eigentlich kenn ich ja genug, um es besser zu wissen, aber das mal dahingestellt. Suhlen wir uns in Vorurteilen und erfreuen uns maßlos daran). Fakt ist aber, dass ich mich statt im Kanon in der Young Adult Unterhaltungs(igitt)literatur gewälzt habe und noch wälze, und es ist wunderbar. Es ist besser als Kaffee mit Butterbrezel und Brownies zu jeder Mahlzeit. Und da ich dieses wunderbare Gefühl ja nicht vor euch verheimlichen kann, hier nun also der überhaupt nicht polemische Aufruf zum nachmachen.

So höret und staunet!

Erstens:
The Maze Runner
Ja. Ich gebe es zu. Ich musste erst den Film sehen, ehe ich mit den Büchern angefangen habe. Hierzu sei zu sagen: der Film ist super. Man darf sich auf Teil zwei freuen.
Und die Bücher ... sind wirklich schlecht geschrieben. Und trotzdem total gut. Und wer diesem Mysterium auf die Schliche kommen will, der schalte nächsten Samstag wieder ein, bei Isa Erzählt Unsinn!
...
Nein. Es ist folgendermaßen: James Dashner bricht auf entnervendste Art und Weise sämtliche Schreibregeln, weigert sich standhaft, zu showen statt zu tellen (show don't tell, Freunde, show don't tell), hat inkohärente Charaktere, die alle ein bisschen bipolar wirken und sich nicht so richtig entscheiden können, wer sie eigentlich sind, wen sie mögen und wen nicht und warum. Dazu kommen haarstreubende Logiklücken und ein Plot, der zwar einen nachvollziehbaren Konflikt hat, aber trotz allem streckenweise grauenhaft konstruiert und unauthentisch wirkt.
Hab ich mal richtig Werbung gemacht hier, wa.
Trotz allem aber kann man das Buch nicht weglegen. Auf der ersten Hälfte vielleicht noch, ja (wer also entkommen will - tut es schnell!), danach, vergesst es. Ich habe Teil eins zum Großteil in einer Nacht gelesen (dabei alle fünf Minuten James Dashners Vertreter - das Buch - angeschrien, er könne überhaupt nicht schreiben! Und dann umgeblättert und weiter gelesen. Bis ungefähr morgens um vier), und mir innerhalb von zehn Minuten nach dem letzten Satz das zweite gekauft. Es ist ein bisschen rätselhaft. Andererseits: aller Makel zum Trotz will man wissen, wie es weitergeht. Irgendwie wachsen einem die Charaktere (oder: manche der Charaktere) doch ans Herz und man bekommt es mit der Angst zu tun (wehe, Mr. Dashner, wehe du ermordest meinen Lieblingscharakter). Außerdem ist das Tempo durchgängig gut, ausbalanciert, mal ruhiger, ziemlich oft ziemlich rasant, nie langatmig, zwar auch nie wirklich tiefgründig, aber mei. Wer stundenlang Charakteren beim Teetrinken zusehen will, dem empfehle ich dann doch eher ein paar englische Klassiker.
In jedem Fall: dieses Buch lohnt sich. Man sehe über Mängel hinweg, und ja, es gibt bessere YA Literatur da draußen. Aber das Gute am Lesen ist ja, dass man einfach alles lesen kann, es nicht dick oder krank macht, nicht verpönt ist, nicht illegal ist, und eigentlich auch sonst überhaupt keine Fehler hat. Keine! Also Ruhe jetzt.

Zweitens:
Silber
Von Kerstin Gier. Ja, eine Deutsche, hört hört! Es gibt sie noch, die deutsche Fantasy Jugendliteratur.
Zur Info: Die liebe Kerstin hat vor ein paar Jahren die Edelsteintrilogie geschrieben, Rubinrot und Irgendwasblau und Smaragdgrün, oder so. Letzter Teil dann Kackbraun, zumindest laut des toternst abgegebenen Statements meines Vaters nach einem ähnlichen Rant wie diesem hier eben, nur noch untermalt von aufgerissenen Augen und wedelnden Armen, da in der Unvirtualität (ja, so sollte man das nennen) angesiedelt. Das aber nur am Rande.
Jetzt ist es also so, dass Kerstin was neues hat, oder eigentlich nicht mehr neu. Okay, nochmal.
Nach der Edelsteintrilogie(r) hat Kerstin dann also was anderes geschrieben, nämlich die Silbertrilogie (Trilogien sind so in man, total fesch. Und eigentlich auch schon wieder out, mittlerweile). Auch Fantasy, auch Young Adult, auch schön. Ein Pageturner. Sogar ein gut geschriebener, mit Ausnahme einiger kleiner Beanstandungen, die aber vermutlich nicht der Rede wert und im Grunde nur meinem inneren Pingel geschuldet sind. Was muss man auch so verdammt akribisch sein, meine Fresse. Kann man nicht einmal ...
Alles auch sehr lesenswert also. Edelsteine wie Silber, anbei. Was die gute Frau sonst noch so geschrieben hat unterschlagen wir mal, denn das befindet sich in den Sphären der ChickLitHausfrauenMännersuche Literatur, und das ist ja nun wirklich unter unserer LitWiWürde ...

Drittens (und hier begeben wir uns in spekulative Gewässer):
Der Zahlenmörder
Ja. Es ist weder Young Adult, noch Fantasy. Es handelt von echten, erwachsenen Menschen, noch dazu in Bielefeld (vielleicht also doch ein bisschen Fantasy ... ach, wat ham wir gelacht). Und eigentlich lese ich es, weil es der (huch, Werbung) Grafit Verlag herausgebracht hat - und stellt sich heraus, da hatte der Grafit Verlag recht mit. Gutes Buch! Obwohl ich erst auf Seite 50 bin. Soviel zum Spekulativen. Andreas Hoppert, anbei. Ich lege es euch ans Herz, vorläufig. Wenn ich fertig bin und nicht mehr gut finde, lege ich es aber auch wieder weg, versprochen.
(Nachträgliche Anmerkung: es ist ein Krimi. Erwähnte ich, dass es ein Krimi ist? In jedem Fall ist es ein Krimi. Und nein, der Ermittler ist kein depressiver, geschiedener Endvierziger. Auch mal schön.)

Soho! Das wars.
Ich weiß nicht, wie diese Booktuber es schaffen, jeden Monat mindestens 37 neue Bücher zu empfehlen. Vielleicht lesen sie einfach schneller, wer weiß. Vielleicht sind sie auch alle Aliens, die auf die Erde geschickt wurden, um Menschen wie mir ein schlechtes Gewissen zu bereiten.

Dienstag, 18. August 2015

On Hermitism

Langsam glaube ich, wichtigstes Charaktermerkmal für angehende Schreiberlinge ist die Fähigkeit, tagelang ohne die Gesellschaft anderer Menschen zu existieren und sich dabei gut zu fühlen. Andere real existierende Menschen, meine ich damit. Imaginäre Freunde, treue Halluzinationen, oder Buchcharaktere sind okay.
Fakt ist, dass ich tatsächlich seit etwas über einer Woche nur eine Unterhaltung mit irgendjemandem geführt habe außerhalb der gängigen Möglichkeiten, die die physische Anwesenheit überwunden haben. Und selbst der Austausch, den ich mittels diverser okkulter Mittelchen wie dem beispielsweise Telefon hatte, hält sich in Grenzen. Direkter Menschenkontakt ist aktuell also eher die Seltenheit, und es ist fantastisch; man soll ja sowieso nicht so häufig duschen.
Ich plotte und schreibe, ja, liebe Welt (oder: lieber unbedeutend winziger Teil der Welt, der sich tatsächlich noch hier aufhält), die Blockade ist vorbei und die Sonne scheint wieder in meiner alternativen Realität, die ich mit meiner Entourage aus erfundenen Personen und Lebewesen bevölkere. Nicht so sehr in der echten Realität, aber das stört mich auch nur marginal. Alles ist, wie es sein sollte: ich verprokrastiniere den halben Tag auf Youtube und gehe dann frisch entnervt von meiner mangelnden Disziplin ans Werk, gegen elf Uhr abends. Dann läuft die Produktivität zu Hochtouren auf, letzte Nacht habe ich gegen vier meinen Laptop aufgeräumt und fand, das sei die völlig normale und vertretbare Uhrzeit dafür. Ich schreibe also und lebe aktiv den Schlafrhythmus eines Hamsters.
Im Zuge dieser wunderbaren Entwicklung habe ich auch ein paar Dinge herausgefunden: Jennys Wedding, neuer Homoehestreifen (mehr oder minder) mit, Obacht, Katherine Heigl in der Hauptrolle, enttäuscht zu großen Teilen. The Maze Runner (manchmal bin ich ein wenig langsam) hingegen enttäuscht überhaupt nicht, weswegen nach dem Film jetzt das Buch auf meinem Kindle eingezogen ist und sich da außerordentlich gut macht (Anm.: Der Film ist nicht auf meinem Kindle eingezogen. Nur, um Verwirrungen und Leserbriefen vorzubeugen). Hierzu sei zu sagen: der zweite Teil schlägt am 24.9. in unseren wunderbaren Kinos auf. Die Bücher aber kann man ohne Hemmungen auf einen Rutsch lesen, da bereits alles publiziert wurde, was es zu publizieren gab, inklusive eines Prequels der eigentlichen Trilogie - mit Ausnahme eines weiteren Prequels, das, soweit ich weiß, auf 2016 angesetzt ist.
Abgesehen davon ziehe ich es stark in Erwägung, die erste Staffel von You're The Worst nochmal zu schauen, da am 9.9. die zweite anläuft. Wer die Serie noch nicht kennt, der schaue sie: es ist großartig. Zwei Soziopathen versuchen eine Beziehung. Groß-ar-tig.
Weitere Onlineperle, die sich nebenbei auch absolut hervorragend zu Prokrastination auf olympischem Niveau eignet: http://www.untitledrothfuss.com/episodes (erwähnte ich schonmal, dass ich Pat Rothfuss verehre wie der Dodo die Wassermelone? Eventuell.)
Das Einsiedlerdasein lohnt also. Nichtsdestotrotz - auch die schlimmste Schreibwut braucht gelegentlich Unterbrechungen. So betrachtet ist es wahrscheinlich gut, dass ich ab Mitte September einen dortmunder Krimiverlag mit meiner täglichen Anwesenheit erfreuen werde. Auch wenn es danach vorbei sein wird, der sozialunverträgliche Lebensstil, für immer, möge man vermuten (ja, auch ich werde mein Studium irgendwann abschließen. Es hat ja nun doch ein paar Tage länger gedauert. Bei Kritik verweise ich immer wieder gerne auf den oben bereits erwähnten Pat Rothfuss und seinen formidablen Lebenslauf. Nicht, dass mich irgendwer kritisieren würde ...). Auch nicht unbedingt das Allerschlimmste; dereinst stellte ich fest, dass ich gerne früh morgens wach bin, selbst, wenn ich mich dafür vorher mit meinen klingelnden Weckern (Plural) auseinandersetzen muss. Gelegentlich wäre ich gern eine Lerche, aber! Was soll man tun. Einmal Eule, immer Eule.
Und damit entlasse ich euch aus Randomrambleland. Nachdem ich ja nun doch schon ein paar Stunden wach bin und schon in ausreichendem Maße nicht das getan habe, was ich tun wollte, könnte ich nun zelebratös meine gar nicht weihnachtliche Lichterkette einstecken und mich ans Werk machen. Meine imaginären Freunde rufen.

Cheers!

P.S.: Zudem besitze ich einen neuen Laptop. Ein (Aaah Achtung Product Placement Aaah) Asus ZenBook. Er heißt Ted und ist großartig. Wir werden heiraten. Da soll nochmal einer sagen, ich hätte keine Sozialkontakte gerade ...

Montag, 10. August 2015

Boah, total kreativ und so voll mit Tiefe.


Vor lockeren fünf Stündchen hatte ich mich zum Schreiben an meinen Schreibtisch gesetzt. Mein Vorhaben war klar: mein aktuelles Manuskript ist ein bisschen zu ambitioniert, als dass ich es hinbekommen würde, irgendetwas Brauchbares an dieser Front zu produzieren, ehe das Studium nicht zu Ende ist (ja, auch ich lebe mit der Angst, dass es auch hinterher nicht besser werden wird. Die einzige Lösung, die ich bislang zu diesem Problem gefunden habe, ist schnell das Thema zu wechseln und zu tun, als habe man das nervtötende kleine Stimmchen nicht gehört. "Du wirst auch nach dem Master keine Zeit haben!" - "Oh, der Müll müsste auch mal wieder raus ..." - Ja.). Also sollte etwas anderes her, etwas Geradliniges, etwas unter 600 Seiten, etwas, das vielleicht nicht zu jeder Nachtzeit vollste Konzentration erfordert, um sich nicht um sich selbst zu wickeln.
Dementsprechend also setzte ich mich übermotiviert mit dem obligatorischen Familieneimer Kaffee auf meinen Drehstuhl. Und öffnete Spotify. Hörte dann elf Songs, die ich gar nicht hatte hören wollen, die mir aber zu schnell in den auditiven Weg sprangen, als dass ich mich hätte wehren können, um dann das, was ich eigentlich hören wollte, nicht zu hören, weil sich Spotify noch rechtzeitig vorher aufhängte. Daraufhin verbrachte ich eine erquickliche halbe Stunde mit Wiederbelebungsversuchen, die schließlich darin resultierten, dass ich Spotify schloss. Und einen weiteren Eimer Kaffee aus dem Wasserkocher zauberte.
Daraufhin habe ich ein Weilchen die Notizen der vergangenen Woche gelesen, dann die Notizen von vor ein paar Monaten, dann war ich die obligatorischen sieben Mal auf dem Klo, dann habe ich die Notizen noch einmal mit einem Blick gestreift und mir dann überlegt, ob ich wirklich ein neues Manuskript anfangen sollte, oder ob das alte nicht eigentlich ganz okay ist. Dann fiel mir wieder ein, dass ich für das alte offenkundig zu wenig mentale Kapazitäten habe zurzeit, dann kam Eimer Nummer drei.
Ein Paar mal war ich auf Facebook. Ich habe zwei halbherzige Versuche gestartet, irgendetwas zu schreiben, das auch nur entfernt einem Outline gleicht, um dann zu bemerken, dass ich eigentlich gar nicht weiß, was ich schreiben will.
Gefolgt von der schrecklichen Erkenntnis, dass es Blockaden vielleicht doch gibt. Is this writer's block, God?!
Ich vertrat bis vor einer Stunde die Meinung, Schreibblockaden gäbe es eigentlich gar nicht, man müsse nur anfangen, der Rest komme von alleine. Jaahaaa, ganz toll! Die Einsicht kann sich gleich neben das blöde Stimmchen von vorhin setzen.
Ich glaube, Kreativität braucht Luft, wie Wein, vielleicht braucht Kreativität auch Wein, aber lasst uns das heute mal aussparen. In jedem Fall: ohne Luft und Raum und Freiheit keine Kreativität. Und wenn dann Raum und Freiheit da sind, dann braucht man ein bisschen Nichts, das darin steckt. Und dann, irgendwann, kommen auch wieder die (guten ..) Ideen. Denke ich. Hoffe ich zumindest, mit großer Hingabe und Aufopferung für die Sache.
Momentan aber ... habe ich Bulgur mit zuviel Wasser gekocht (Ich habe gelben Schleim gemacht!) und Around The World Tickets gegoogelt. Damit man vielleicht wenigstens nach dem Studium ein bisschen zum inspiriert werden kommt, oder zum abschalten, oder vielleicht studiere ich einfach schon zu lange. Zu. Lange. Es muss ein Ende haben.
(Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei ... Und jetzt alle!)
Ja, es war ein unproduktiver Tag. Sollte dringend ein bis siebenundfünfzig Youtubevideos schauen.

Auf Wiedersehen.

Montag, 20. Juli 2015

Mut zum Kontrollverlust


Erstaunliche Dinge sind geschehen in den vergangenen sechs Wochen. Nicht alles davon war schön, aber der Großteil zumindest richtungsweisend. Es ist eine seltsame Sache, dieses Leben, aber man wälzt sich trotzdem irgendwie jahrelang hindurch, und auf einmal stellt man fest, dass man eigentlich beinahe klar kommt, dass es irgendwie okay ist, und dass (und jetzt Obacht) man sich im Grunde ganz gut fühlt dabei.
Manch einer mag vertraut sein mit meiner Grundannahme, dass das Konzept des Glücklichseins ein Mythos und dementsprechend natürlich nur verächtlich unter hochgezogenen Augenbrauen beiseite zu wischen ist. Tatsächlich bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, ob dauerhaftes Glücklichsein ohne konstante Alkoholzufuhr möglich ist. Worüber ich aber in den letzten Wochen eine geradezu bizarre Klarheit erlangt habe ist folgendes: man kann sich wohlfühlen, zufrieden sein und irgendwie Spaß am Leben haben, auch wenn man einfach lebt wie bisher. Klingt komisch, is aber so.
Es ist ein obskurer Moment, wenn man sich dabei ertappt, wie man einfach zufrieden ist, obwohl man sich in so viele Dinge hineinsteigern könnte, die mal wieder nicht so laufen, wie das ursprünglich angedacht war. Wenn man merkt, wie man sich zwar der suboptimalen Natur mancher Angelegenheiten bewusst ist und das auch liebend gerne ändern würde, es aber gleichermaßen akzeptiert, dass das eben gerade nicht geht. Außerordentlich ungewohnt.
Ich weiß nicht so wirklich, woran diese ganze höchst befremdliche Entwicklung liegt und rede mir ein bisschen ein, dass alles auf mein jetzt bereits sechs Wochen altes Veganexperiment zurückzuführen ist; andererseits kanns das allein auch nicht sein. Viele Bananen sind ja schon toll und so, aber das Leben steht und fällt nicht mit der Banane allein (man verkneife sich die Vielfalt der Sexwitzchen, die mit dieser Aussage mitgeliefert wurden).
Was also dann?
Ich habe die Hoffnung, dass das, was hier gerade passiert, eine normale Entwicklung ist, die sich "erwachsen werden" nennen könnte, sofern man in solchen ausgelutschten Terminologien herumpulen will. Wir setzen hier erwachsen jetzt mal nicht mit langweilig gleich, auch nicht mit eingefahren und unflexibel und dem allem, sondern eigentlich nur mit - hm. Vielleicht ein bisschen klüger als zuvor? Wie auch immer wir das jetzt definieren, vermutlich bleibt das ohnehin jedem selbst überlassen, in weniger als zwei Monaten werde ich dreißig - was, wie ich gerade feststelle, ausgeschrieben noch viel beängstigender wirkt als ausgesprochen. Anders betrachtet aber, wenn dreißig werden mit Zufriedenheit einhergeht, dann tue ich es liebend gerne.
Dann wiederum lässt sich natürlich nichts an einer Zahl festmachen. Die schwammige Klarheit, die ich nun in minutiöser Kleinstarbeit erlangt habe, und der ich immer noch nicht wirklich über den Weg traue, ist anderen vielleicht in die Wiege gelegt. Andere wieder nennen mich Esofreak und halten sämtliche Epiphanien meinerseits für Humbug. Letzten Endes ist das aber alles irgendwie egal; was zählt ist das Ergebnis und auf dem Weg vom Startschuss bis zum sich gut fühlen ist alles erlaubt, was keinen umbringt. Folgendes allerdings halte ich für eine gute Grundlage: Kontrolle ist eine Illusion. Eine schöne Illusion, aber eine Illusion nichtsdestotrotz.
So wirklich weiß sowieso keiner, was er tut. Keiner weiß irgendwas und am wenigsten was er will. Morgens klingelt der Wecker und man steht auf, abends geht man wieder ins Bett, schon wieder zu spät, wieder keine acht Stunden Schlaf. Dazwischen weißes Rauschen, durchsetzt von Kaffeepausen.
Ich habe die Theorie, dass sich die Menschheit in folgende zwei Gruppen einteilen lässt: die, die ihre Wohnungstür abschließen, statt sie nur ins Schloss fallen zu lassen, wenn sie morgens aus dem Haus gehen, und die, die dasselbe tun, wenn sie sich nachts ins Bett legen, aber nicht umgekehrt. Noch bin ich zu keinem befriedigenden Pauschalurteil gekommen, was welche Gruppe aussagt, aber ich gehöre zu letzterer, fürchte um Leib und Leben und verwirkliche meinen Kontrollzwang in luxuriösem Türverriegeln.

"Universum hier, Isa hier, alles, wo es hingehört. Ich denke nicht nach. Ich schlafe." *

Ich befinde mich im eigentümlichen Zustand unabänderlichen Unwissens. Tun wir alle. Traditionell ist Nachdenken die Waffe meiner Wahl und ein Mangel an Kontrolle meine größte Angst, also baue ich Scheinsicherheiten mittels Grübeln und versuche, das Unkontrollierbare durch Gedanken kleinzusortieren. Ich lege im Kopf Butterbrotpapier über alles und ziehe mit weichen Bleistiften Linien um Zusammengehöriges, dann beschrifte ich, kritzele einzelne Worte in die formlosen Blasen: Freunde. Uni. Bücher. Sonstiges.
Oft ist das in Ordnung. Manchmal aber läuft der Verstand ins Leere, steuert auf etwas zu und verliert es kurz davor aus den Augen, rennt daran vorbei und braucht ein paar Meter, um seinen Lauf abzubremsen und umzudrehen und dasselbe noch mal zu tun, in die andere Richtung. Manche Sachen entziehen sich dem Nachdenken und verunsichern damit. Werden unberechenbar wie die schwarze Spinne, die man jeden Moment an der weißen Wand erwartet, abends, kurz bevor man das Licht ausschaltet.
Dann traut man sich nicht, hinzusehen. Will man aber. Und wenn man es tut, dann will man die Störung wegüberlegen, geht aber nicht. Man kann sie noch nicht mal wegdiskutieren. Kann keine schlüssigen Argumente finden und läuft im Kreis.
Wo soll das nur alles mal enden, fragst du dich jeden Tag die angemessenen siebzehn Mal und schüttelst dabei langsam den Kopf. Wohin soll das nur alles mal führen! Optionen:
a) zu Rum und Ehre
b) siehe c)
c) in die Klappsmühle
d) [Lücken bitte mit Kreativem füllen]
e) Arbeitslosigkeit, Geldnot und einem fürchterlichen Dasein im Freien bei Regen
f) nichts davon, mit Milch

Das Problem an allem: Kontrolle.

Man wird es schrecklich leid. Werde in Zukunft nur noch existentialistische Lyrik verfassen. Beginne Unterfangen mit Googlesuche 'Haiku'.
Was also jetzt? Ikeamöbel zusammenschrauben brachte keine Erleuchtung (obgleich die Erfahrung, ein "selbsterklärendes" Regal aufzustellen, um es am Tag darauf wieder ab- und dann richtig nochmal aufzubauen durchaus therapeutisch war). Nach fünfminütigem Überlegen stellt man fest: mehr fällt einem nicht dazu ein. Nichts, was wirklich irgendetwas bringen würde oder Sicherheit gäbe oder sonst irgendwie gut wäre. Alle Kontrollnetze, die man seinem Leben und sich auferlegt, sind schlechte Imitate von schlechten Imitaten von irgendetwas, das man sich in monatelangem Nachdenken als Theoriekonstrukt im Kopf zurechtgelegt hat und das vermutlich auch nur dort funktioniert.
Wenn einer fragt, was wir tun; wir proben das Reenactment von Zombieland. Alternativen wären in der Wüste Sterne anschauen, gerne auch mit Weltraumteleskop, obwohl eventuell schwer umzusetzen. Oder auch in Südfrankreich am Strand liegen. Man sollte viel mehr in Frankreich an Stränden liegen, macht halt bloß keiner, vermutlich nicht mal die Franzosen.
Sinnig wäre jedoch:
Den Kontrollfreak sperren wir im Keller ein. Zumindest planen wir, es zu tun, sobald wir ihn vom Treppengeländer losgerissen haben, an dem er sich krampfhaft festklammert und in voller Lautstärke IHR SEID ALLE DEM UNTERGANG GEWEIHT! schreit, seit ungefähr einer Woche.
Klingt durchaus plausibel; alles weitere findet sich dann.

Wir sehen: hat man erst einmal akzeptiert, nie wirklich Kontrolle über irgendetwas zu haben, lebt sichs deutlich entspannter. Vielleicht ist das ja des Rätsels Lösung, vielleicht komme ich langsam zu dem Schluss, dass Entscheidungen nicht so wichtig sind, wie ich immer dachte, dass es "das Richtige" nicht gibt, und dass man sich sein Leben zur Hölle machen kann, indem man mit diesen Tatsachen nicht klarkommt - oder es eben lässt und stattdessen Wein trinken geht. Seit einer Weile plädiere ich irgendwie für letzteres, und habe außerordentlich viel Spaß daran. Es lebt sich ziemlich gut in diesem eigenartigen Zustand des Zufriedenseins. Jetzt nur versuchen, nicht in alte Verhaltensmuster zurückzuverfallen, denn ein bisschen fremd bin ich mir schon, momentan. Andererseits kann man auch mit Fremden Wein trinken gehen, dann lernt man sich erfahrungsgemäß schneller kennen als ohne (vielleicht liegt ja doch alles nur am Alkohol, wer weiß).

In diesem Sinne, cheers!

* Wolfgang Herrndorf, Bilder deiner großen Liebe

Montag, 2. März 2015

Das Wort Problem schon allein.


Es ist seltsam, wenn es draußen schon dunkel ist, aber noch Vögel schreien. Es fühlt sich deplatziert an, Anfang März, und gleichzeitig wie ein unauffälliges Winken vom Frühling, der zwar noch schnell ein paar emails beantworten muss, dann aber bestimmt gleich da ist, sofern er die nächste Bahn bekommt.
Boyhood war ein wirklich guter Film. Am Anfang mochte ich ihn nicht besonders, und nach den drei Stunden war ich auch nur halb vom Gegenteil überzeugt. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr merke ich: Boyhood war ein wirklich guter Film; I just thought there would be more.
Man denkt, es kommt mehr, mehr Handlung, mehr Spannungsbögen, mehr von allem und größer. Kam es aber nicht, nicht im Film und nicht im Leben, weswegen wir irgendwann am Tisch sitzen und die Welt verfluchen: I just thought there would be more.
Ist das der Grund, weswegen wir uns immer neue Ziele stecken, um den Zustand der Stagnation, der Resignation und des allgemeinen Wahnsinns zu umgehen? In battle to preserve sanity one must remember the following rules. Um immer mehr zu bekommen. Immer größer und bunter und besser. Und während wir auf immer bunter warten tragen wir schwarz, während wir auf größer hoffen arbeiten wir an den Babysteps.
Wahrscheinlich ist die Fähigkeit, zufrieden zu sein, die beste, die man haben kann. Zufrieden zu sein mit farbig statt neongrell, mit medium size statt extra large. Man strebt nach dem Ultimum, obwohl man bereits weiß, dass man es nicht bekommen kann; aber statt sich mit anderem zufrieden zu geben und vielleicht eine medium sized version an Zufriedenheit zu erreichen verbeißt man sich im perfekt unerreichbaren und ist unglücklich, denn! Das ist was wir können, darin sind wir gut.

Filme für die Quarterlifecrisisgeplagten:
- Frances Ha
- Appropriate Behavior
Ein bisschen nicht wissen, ob man schon falsch abgebogen ist, ob man noch darauf zusteuert, ob mans irgendwie umgehen kann; so many possible indentities and none of them seem right.
Vielleicht war früher alles besser? Man hat geheiratet und Kinder bekommen. Keine Wahl, keine Qual (alternativ: no brain no pain).

(Es ist nichts Verwerfliches an der Lebensabschnittskrise. Ich habe den Eindruck, die letzten vierzehn Jahre in einer zugebracht zu haben. Vielleicht ist manch einer aber auch dazu geneigt, sein ganzes Leben dementsprechend anzulegen, verschachtelt und mit Hang zur Sackgasse, lauter blättrige Labyrintheinbähner, an deren Ende Sphinxen warten und unlösbare Rätsel in den Äther spucken. So linear wie ein Chemiebaukasten. Wir bedrucken grüne Jacken mit Fragezeichen und tragen sie bei jeder Gelegenheit; ein Trip ins Krisengebiet, man beachte den wunderschönen Wildwuchs zur Rechten. Aber keine Scheu vor Risiken, Freunde, heute mal ohne Zähneputzen ins Bett!)

Und aber: über das ver-zweifeln. Nicht zweifeln. Nicht immer so viel denken. Don't think, just do. Wer nicht reinpasst passt daneben und wer nicht daneben passt passt darüber; Heterogenität ist die Struktur, die unter allem liegt und alles dabei aneinanderleimt, so uneben wie ein Uhrwerk (Orange), in Dauerbewegung, ewiges Klicken und rasten, ein- wie aus-, weiter und weiter und am Ende wird im Rückblick sowieso alles schön geredet. Schön geredet? Vielleicht war es ja tatsächlich schön. Ein bisschen vom fragezeichenförmigen Grünspan abkratzen und das Rot genießen, wie Sonnenaufgang, wie Rotwein, wie die [xxx] (ich werds nicht sagen, nein).

Dementsprechend also:

THUS spoke (Sarah Schuster) Zarathustra.

He said: if he's not the word of God God never spoke.

Amen.

PS: Birdman. That's all.








Samstag, 24. Januar 2015

I'm not a fighter, I won't fight you

... und irgendwann kann man richtig nicht mehr von falsch unterscheiden und vorwärts nicht mehr von rückwärts, man weiß nicht mehr, ob was man tut einen Sinn ergibt, oder ob man sich den Sinn nur einredet, weil er eben gerade so schön ins Bild passen würde; man weiß nicht, ob man sich selbst täuscht, indem man sich sagt das ist jetzt so, oder ob man nicht vielleicht eigentlich gar nicht mehr weiß, ob irgendetwas eigentlich noch einen Nutzen hat oder ob wir im Grunde nicht sowieso alle nur wie die kopflosen Hühner über unseren kosmischen Spielplatz torkeln, ab und an gegeneinander stoßen und die Bedeutung davon hoffnungslos falsch verstehen.
Vielleicht sind wir auch einfach alle irgendwo auf der Strecke wahnsinnig geworden und keiner hats gemerkt.
Die Tage sind zu kurz und ähneln mehr denn je der Messywohnung; deckenhoch schwankende Stapel schlecht sortiertes Irgendwas, mit Mühe und dem System jahrelanger Unordnung findet man ungefähr die Hälfte von dem, was man sucht. Der Rest modert vor sich hin, wird vergessen, oder später wiedergefunden; zu viel von allem und nichts scheint entbehrlich, heute habe ich schon wieder das alles nicht gemacht, ich sollte anfangen Not To Do Listen zu schreiben, so viele Dinge, die ich nicht getan habe und dann abhaken könnte. Vielleicht ist man auch einfach zu langsam, vielleicht sollte man aufhören zu schlafen oder weniger grübeln.
Man schleppt ein ständiges Gefühl irgendetwas vergessen zu haben mit sich herum. Irgendetwas, auf dem Weg zwischen Vergangenheit und Zukunft. Es ist nicht das Jetzt, nein, das drängt sich sehr penetrant in den Vordergrund und schiebt damit den Konjunktiv in die hinteren Hirnregionen, wo er zum schlechten Gewissen wird. Das Jetzt ist groß und pulsiert wie eine Eiterbeule, manchmal tut es auch weh. Am Fuße des Jetzt hat sich viel bald, morgen, heute Abend, vielleicht später angesammelt und wartet, klein und ein bisschen unscheinbar und halb vergessen im alles unter sich begrabenden Schatten der Gegenwart, die mit zu viel gefüllt ist, was vielleicht nie hätte darin sein sollen und trotzdem auf eine perfide Art Sinn ergibt (da ist er wieder).
Und so oft droht einfach alles im Dunkel zu verschwinden, obwohl man sich nichts mehr herbeisehnt als Licht; so häufig liegt man nachts wach, obwohl man nur schlafen will; andauernd droht einen das Leben zu überfluten mit all seinen kleinen, hinterhältigen Komponenten, die einem in den Rücken fallen, sich anhäufen und groß werden, eine Flutwelle, die sich meterhoch auftürmt, den Himmel zur Erinnerung verkommen lässt und auf einen zurast, bis man in einer letzten Momentaufnahme den Dreck darin sieht, eine braune Wand, eingefroren in den Details der letzten Sekunde, ehe sie über einem zusammenschlägt, unter sich begräbt und alles, was war, mit sich nimmt.
So oft, zu oft, fühlt sich das Leben so an. Manchmal ist es laut dabei, schreit einen an, hundert Stimmen aus weit aufgerissenen Mündern, der Zug, der durch den Kopf rast, von nirgendwo nach nirgendwo fährt, voller Menschen mit Augen, die nur aus Weiß zu bestehen scheinen, Haare flattern im Wind.
Und manchmal ist es leise, farblos, kalt, irgendwo unter Null, unter neutral, langsam und schwerfällig und eingepackt in feuchte Watte, die nichts rein, aber auch nichts raus lässt.
Manchmal lebt man auch auf ihr, der Nullinie, wenn man Glück hat häufig, irgendwo in der Neutralität.
Und manchmal fängt das Leben an zu leuchten, wird groß und bunt; die Sonne, die auf die Häuserfront fällt und eine Phalanx aus Farben daraus macht; Lichter und das ewige Blau über dem Kopf, das ebenso wie die Wand aus Wasser zuvor über einem steht, aber einen in sich aufnimmt, fliegen lässt. Die Sonne, die auf die geschlossenen Lider fällt und die Welt in Rot taucht, die auf den höchsten Stellen des eigenen Gesichts aufprallt und sich in die weiße Haut gräbt und die noch fadenscheinige, aber stärker werdende Wärme in einen hineinträgt, wo man sie versucht, aufzufangen, zu konservieren, für schlechte Tage einzulagern.
An manchen Tagen sieht man sich selbst an und merkt, dass es okay sein kann. Dass es sogar gut sein kann. Dann sieht man die Menschen, mit denen man sein Leben teilt, und weiß nicht mehr wohin mit sich, man möchte lachen vor Glück und tut es auch. Man merkt, dass die vielen kleinen, hinterhältigen Dinge, die zwar so häufig groß und überwältigend werden, auch so unbedeutend sein können, wenn man sie in Relation zu allem anderen setzt; wenn man es will, und wenn man es schafft, in den Momenten, in denen einem schon die Gischt des Tsunamis ins Gesicht spritzt, sich zur Ruhe zu zwingen.
In den Augenblicken, in denen das Leben einfach nur gut ist, in denen der seltene Vogel kommt und kurz bleibt, ehe er weiterfliegt, merkt man, was man eigentlich hat. Trotz allem, was passieren oder nicht passieren mag - das hier ist mein Leben, und ich wünschte, es würde häufiger jemand kommen, mit auf die Schulter tippen und sagen: jetzt.
Denn schneller als einem lieb ist ist der Vogel weitergeflogen und hat die leuchtenden Häuserfronten und die Sonne mit sich genommen. Alles türmt sich wieder auf (vielleicht hatte es sich auch nie abgetürmt), und irgendwann macht sich der Eindruck bemerkbar, dass man verlernt, Worte aneinanderzureihen, Sätze zu bilden, Sinn zu ergeben. Gleichermaßen drängt sich das Gefühl auf, auch aus Worten und Sätzen, die man liest, keinen Sinn mehr ziehen zu können; vage Bedeutungen verschwimmen im Kopf und schließen sich zu bunten Spiralen aus Konditionalformen zusammen, ein einziger Rausch aus Missverständnissen, hinein in den Ausguss aus Gedankenmüll, weg damit, weg damit.
Manchmal wird das Geradeausdenken schwierig, also denkt man in Kreisen, malt Flächen mit Farbe aus, statt Worte zusammenzukleben. Manchmal, manchmal auch häufig, braucht man leiernde Rhythmen und Stimmen und Melodien, weil alles andere zu konkret ist und man geradlinig ja nicht mehr vorankommt. Dann wacht man morgens auf und die Welt ist weiß, man fängt an, sein altes Leben zu vermissen und fragt sich einmal mehr, wo das eigentlich hinführen soll, aber das weiß man ja nicht. Alles scheint zeitgleich richtig und falsch zu sein. Man landet im Kinderliedland des eigenen Kopfes, wo alles alles bedeutet und deswegen gar nichts, wo einem nichts anderes übrig bleibt, als weiterzumachen und auf die Sonnentage zu warten; die, für die es sich lohnt, die Tage, an denen man das Tippen auf der Schulter spürt und die Stimme hört: jetzt.