Dienstag, 25. September 2012

Herbst.



Der Herbst ist mein Liebling. Schon immer gewesen und immer noch. Wenn alles bunt wird, windig und kühl, dann bin ich glücklich und freue mich darüber, wieder in Pullover und Stiefeln allein im Regen spazieren zu gehen- und ja, auch das habe ich schon immer gemacht und überall. Und überall hat es was für sich, in großen Städten ist der Herbst grauer und für manche vielleicht unfreundlicher, aber nirgends ist es so schön, sich mit einem Buch und einer Tasse Irgendwas in ein Café zu setzen und dem Herbst beim stürmen zuzusehen, wie in einer Stadt, in der besagter Herbst in regelmäßigen Abständen von U-Bahnen verdeckt wird und Unmengen von Menschen mit aufgespannten Schirmen vor dem Wasser flüchten, das auf sie niederprasselt und sie daran erinnert, dass der Sommer vorbei ist. Die meisten fluchen dann, und ich bin zufrieden.
Als Kind im Kaff, in dem meine Eltern wohnen, wars aber auch schön, wobei man U-Bahn da vermutlich im Fremdwörterlexikon nachschlagen würde und generell sowieso zu beschäftigt damit ist, seine Schafe zu scheren, als dass man sich groß Gedanken um den Herbst machen könnte (schert man Schafe im Herbst?). Da, wo niemand ist, geht auch keiner spazieren, der einen in seiner verregneten Ruhe stören könnte, und erst recht nicht wenns stürmt. Immer diese Schönwetterspazierer.
Hier ists aber auch schön- Tübingen mag ja klein sein, aber der Neckar unter schweren, bunten Bäumen, uralte Giebelhäuser am Ufer, Schwäne, die sich mental auf die Abreise in den Süden einstellen- das ist schon auch schön. Ein leichter Regenschauer- Cafés hats hier auch. Nur keine U-Bahnen.
Alles in allem ist der Herbst das Beste vom Jahr. Erst halbwarm und sonnig, dann immer kühler und deutlich weniger bunt- die Sonne wärmt nicht, "sie lässt uns kalt, sie scheint zum Schein" (der Kästner Erich, "Herbst auf der ganzen Linie")- ein Glück, sonst schwitzt man immer so in Mantel und Schal.

In jedem Fall aber- ich wünsche euch einen wunderschönen, orange-roten Herbst, viel Tee und Bücher, Peanuts (der große Kürbis wird kommen!), schöne Zugfahrten, knisterndes Laub, Drachen, Kastanienmännchen, Laternen, alte Kirchen im Abendlicht, Gruselgeschichten und ein bisschen Nachts im Wald ;)
Oder, um es (mehr oder weniger) mit Erin Morgenstern's Worten zu sagen:
I wish you a glorious autumn, pumpkin-flavored and sweater-cozy!


Dienstag, 18. September 2012

Das liest doch nur wieder keiner.


So. Ich bin grad so im Schreibfluss und habe geständigerweise auch bissl Wein getrunken, also dachte ich, ich sülz mal ein wenig im Äther herum, immer wieder nett, zumindest für mich, ich weiß ja nicht, wie ihr da so drüber denkt, und ja: Punkte.
Also. Heute war ich im Kino (oh nein, kollektives Aufstöhnen, die ersten verlassen ihre Plätze und gehen pissen, um sich währenddessen zu überlegen, ob sie nochmal zurückkommen oder lieber gleich nach hause fahren, wo ihre Frau Hackbraten mit Kartoffeln gekocht hat), in 'To Rome With Love', mal wieder ein bisschen Woody Allen, hat ja auch was. Das heißt, meistens hat Woody Allen was, You Will Meet A Tall Dark Stranger fand ich jetzt nicht so überzeugend, aber hey, jeder hat mal nen schlechten Tag oder ein schlechtes Jahr oder wie auch immer. It's not your day, your week, your month or even your year, wir kennen das ja. Zumindest die unter uns, die sich durch zehn Staffeln Friends geschaut haben, die dürften das ganz gut kennen, und ja, da zähle ich mich dazu (au weia).
In jedem Fall fand ich den ganz nett, kürzlich hab ich mir auch mal Midnight In Paris angeschaut, ja, auch schon, den fand ich echt gut. Den heute fand ich auch gut, ganz nett ist vielleicht ne Untertreibung und Mister Allen wäre wohl auch nicht so angetan von dem Urteil- wobei es ihm vermutlich eher egal ist, was kleine Mädchen aus der schwäbischen Provinz so über seine Filme denken. Wobei, Neurotiker denken über alles nach. Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung.
Also, wo war ich- ach ja. Der Film. War schon gut. Obwohl ich eigentlich nicht so ein Fan von Episodenfilmen bin, da gibts immer wen, den ich nicht mag, und dann muss ich ein Viertel vom Film damit zubringen (oder ein Fünftel oder Drittel, je nachdem eben, wie viele Episoden es so gibt) mir diesen Idioten anzuschauen. Ich glaube, deswegen habe ich auch einen Hang zu Büchern, die nur aus einer Sicht erzählt werden- wenn ich den einen Erzähler mag, schön, wenn nicht, weg damit. Wenn da ständig neue kommen ist das ja völlig unvorhersehbar.
Also, Woody Allen. Ich werde mir Annie Hall anschauen, den habe ich noch nicht gesehen, oh ja, steinigt mich. Den Paten hab ich ja inzwischen mal angeschaut, aber mit den Klassikern ist das ja auch so ne Sache. Alle sagen, musst du gesehen haben und dann schämt man sich, wenn mans dann nicht gut findet, obwohl wahrscheinlich niemand wirklich überzeugt davon war und alle nur so tun, weils ja ein Klassiker ist. So ist das eben, mit Tolstoi im Bücherregal gibt sichs viel besser an als mit Stephen King und trotzdem gefällt mir King besser. Okay, ich hab jetzt noch nie Tolstoi gelesen, aber ich schließ jetzt einfach rück. Also, von anderem. Egal.
Gut. Es regnet, der Sommer ist vorbei, ich find das ja immer sehr schön, andere weniger, so ist das eben, kann ich nichts machen. Aber ich find den Herbst super und auf Amazon bestellt hab ich auch heute. Also, nicht den Herbst, sondern Bücher, ja, noch mehr davon, manchmal spreche ich auch mit echten Menschen, im real life, nicht virtuell. Hätte das einer vor dreihundert Jahren gesagt, er wäre vermutlich verbrannt worden.
So weit, liebe Freunde des allenesken Humors, und nun ein wenig Werbung.


Samstag, 15. September 2012

50 Shades of Bienchen and Blümchen



Alternativtitel: Exactly Two Shades of Grey And One Hell of An Annoying Chick

Da denkt man, man kauft sich den Hardcoreporno (ja, okay...) und dann stellt sich das Ding als ChickLit Roman erster Klasse heraus, der noch dazu mit reichlich und nach der zwanzigsten einfach langweiligen Sexszenen vollgestopft ist, die dann noch nicht mal wirklich schockieren. Ja, mei, ne Peitsche- süß.
Die zuckrige Ana Steele ist ja angeblich 22, wirkt aber eher wie 16 und erweckt den vagen Eindruck, irgendwie mit Bella Swan verwandt zu sein. Da könnt es einem ganz anders werden vor lauter Naivität, Unschuld, Unerfahrenheit, Ungeschicklichkeit; dazu konstantes Erröten wegen allem und eine gewisse, gewaltig an den Nerven des gewillten Lesers zerrende Vergötterung dieses Kerls, der sich da Christian Grey nennt.
Der ist eigentlich auch das Einzige, was das Buch noch ein bisschen interessant macht, sofern man auf dark and twisted steht. Wobei auch da die Erzählkunst der Autorin an ihre Grenzen stößt: was ja ganz hübsch immer wieder angedeutet wird, wird nicht weiter erklärt als so kurz nebenbei, quasi zwischen zwei Orgasmen (die natürlich ausnahmslos alle überirdisch sind, is klar, ne) und auch da weniger zufriedenstellend. Wenn man sowas schon einbaut in seinen Sexroman, könnt man dann nich bitteschön vielleicht auch - ? Aber nein, sie vögeln lieber. Und ja, er will ganz fürchterliche Dinge und ja, Ana ist ja so unglaublich stark, dass sie das macht, und ihre Inner Goddess! Whoa...Oh my. Bah, Schreibstil, Miss James. Naja.
In jedem Fall- okay. Die 50 Shades lesen sich gut und ganz fix, gibt ja auch keine allzu verwirrende Handlung, die irgendwie verstanden werden will. Tatsächlich ist Handlung im Großen und Ganzen eher etwas, das man länger sucht und nachhaltig vermisst, aber gut. Bis Seite 200 ungefähr dachte ich ja noch, hm, okay, vielleicht kommt noch was, weil, wie gesagt, angedeutet wurde viel, gehalten wurden die Versprechen aber ja eher nur minimal. Die poppen halt. Er ist wunderschön und sie irgendwie doof. Die entscheidende, alles wendende Szene kommt 5 Seiten vor Schluss und das Ende selbst ist reichlich fad. Gelesen hab ichs trotzdem, offensichtlich, war ja auch ganz unterhaltsam, aber den zweiten Teil werd ich mir wohl dann doch nicht geben.
So weit so gut, jetzt ham wir auch mal nen Erotikroman gelesen.
Bleibt nur zu sagen: Säufste, stirbste; säufste nich, stirbste och- also: säufste!
Cheers!

Dienstag, 4. September 2012

Nachts im Zirkus


The Circus arrives without warning, no announcements precede it... It is simply there, when yesterday it was not.

Ich hatte mir dieses Buch gekauft, weil das Cover hübsch und der Titel interessant war. Zwei Anläufe habe ich dafür gebraucht, weil ich beim ersten Mal durch das Fehlen eines aussagekräftigeren Klappentexts als die obigen Sätze abgeschreckt war- wer weiß, was man sich da zulegt? Gemacht hab ich es dann trotzdem und bereut habe ich es keine Zeile lang: The Night Circus von Erin Morgenstern ist glaube ich eins der besten Bücher, die ich jemals gelesen habe- und da kommen schon ein paar zusammen.

Wenn man ein Buch aufschlägt und vom ersten Satz an nicht mehr davon lassen kann, wenn einem die knapp 500 Seiten einfach zu kurz erscheinen, wenn man Teil des Buchs werden will, weil einem alles außerhalb plötzlich noch trostloser und grauer erscheint als ohnehin schon, dann ist es ein gutes Buch. Nicht unbedingt förderlich  für Dinge wie Realitätsbezug, aber reality is overrated, anyway.

Eine Geschichte so einfallsreich und detailliert, so verschlungen und meisterlich erzählt wie ich es bislang glaube ich nur bei der Unendlichen Geschichte gelesen hatte. Ein Zirkus so dunkel und absorbierend und artistisch in jeglicher Hinsicht, ein schwarz-weißer Jahrmarkt der Wunderlichkeiten, mit dem vereinzelten Flecken Rot dazwischen. Eine Geschichte um Zauberei, Magie und Illusionen- und einen bizarren Wettstreit, ein bisschen Liebesgeschichte, viel erzählerische Finesse in Form kurzer Textabschnitte, die zu verschiedenen Zeiten am selben Ort oder zur selben Zeit an verschiedenen Orten spielen; erst ein wenig verwirrend, aber mit dem stärker werdenden Gefühl, dass sich die Fäden am Ende zu einem faszinierenderen Ganzen zusammenfügen werden, als man sich es erhofft hatte- ein Gefühl, das wohl kaum enttäuscht werden wird. Das Buch ist eine einzige Traumreise in eine Welt, in der Tiere aus Papier zum Leben erwachen und die Realität nach Belieben verändert werden kann, in der Uhren nicht einfach nur die Zeit anzeigen, in der niemand ist, wer er zu sein scheint und in der sich den Grenzen von dem, was vorgibt die Welt und das Leben zu sein nicht nur genähert wird, sondern in der sie mit wehenden Fahnen hinter sich gelassen werden.

Ein so schönes Buch. Ein dunkles Buch, ein bisschen Mysterium und viel Fantasieüberschwang. Viele lange Kleider und ein allgegenwärtiger Bowler-Hut, da in den späten Achzehnhunderten angesiedelt. Ein Buch, so schön, dass man gelegentlich verzückt schnurrend seine Wange daran reiben muss, um seine Zuneigung kundzutun...
Jetzt weiß ich, warum nicht mehr auf dem Buchrücken stand: man kann das, was sich alles zwischen den zwei Buchklappen befindet, unmöglich sinnvoll auf einer davon komprimieren, nicht mal ansatzweise.
Man muss: es einfach lesen.