Donnerstag, 20. Dezember 2012

Die Sache mit dem Jahresende



Jahre gehen zu Ende, in der Regel; zumeist am 31.12., obwohl man sich da dieses Jahr ja nicht so sicher sein kann. Vielleicht gehen wir auch morgen alle mit apokalyptischem Inferno in der Feuerbrunst unter - obwohl, wer weiß? Vielleicht ist der Weltuntergang ja gar nicht so spektakulär. Vielleicht geht auch einfach der Bildschirm aus, zzp! Als wäre jemand übers Kabel gestolpert und hätte dabei den Stecker gezogen. Hups. Das wollt ich jetzt aber nicht.
In jedem Fall aber sticht auch dieses Jahr 2012 mit Inbrunst auf sein Ende zu. Das heißt, falsch: es mäandert gemächlich, bleibt an Schaufenstern stehen und schaut sich die Auslagen an, spätabends, die Weihnachtsdeko glitzert im Hintergrund vor sich hin und von irgendwoher zieht Glühweindunst heran, wallt über das Kopfsteinpflaster und verkriecht sich in uralten Ritzen von uraltem Gemäuer. Allerdings tut es das erst seit heute, zumindest in meiner Welt. Bis ca. 14.00 des heutigen Tages hatte mein Jahr andere Probleme als das nahende Ende - gelegentlich kann man das ja schon mal vergessen. Unbedeutende Details.
Bis heute war mein Jahr in Habachtstellung, hat sich über die Feiertagsschleicher in der Innenstadt geärgert und ist mit genervtem tss an ihnen vorbei gezogen, sobald sich eine Lücke bot. Hat mit unendlich vielen Zetteln und To Do Listen versucht, Ordnung ins immense Chaos dieses Daseins zu bringen (mäßig erfolgreich, bin immer mal wieder erstaunt, wie ich irgendetwas auf die Reihe bekomme). Und hat sich dann mal dabei von außen betrachtet und sich gefragt: bin das eigentlich wirklich ich? Die, die da in der Bib hockt und die Literaturtheorie wälzt als sei sie der Masterplan? Die keine Lust mehr zum Lesen hat, weil sich die Sekundärliteratur schon bis ins obere Stockwerk stapelt und abgearbeitet werden will? Und die, wenn sie dann doch mal ein Buch in die Hand nimmt, seltenst eins darin wiederfindet, das nicht Pflichtlektüre in irgendeinem Kurs ist?
Antwort: Ja. Irgendwie bin ich das auch. Und manchmal find ichs sogar ganz okay.
Antwort: Ja. Bin ich. Und ich steh drauf.
Antwort: Nein. Bin ich nicht und ich hasse es, so sein zu müssen.
Antwort: Nein. Oder, nur in Teilzeit.
Gegenfrage: Wenn ich das nicht bin, wer dann? Und, wichtiger, lässt sich die Alternative ohne die oben genannte Persönlichkeit überhaupt durchziehen? Und: bin ich jetzt zwei Personen deswegen?
There are two dogs living inside of me, and the one I feed will grow.
Und der andere?
Beide zu füttern, am Leben zu erhalten, parallel existieren zu lassen - das geht nicht. Es ist nur genug Futter für einen der beiden da. Wenn ich versuche, beide damit zu füttern, dann werden beide eingehen. Und dann, was bleibt dann übrig? Ihr seht, geht nicht.
Wie auch immer. In jedem Fall geht das Jahr demnächst in die Binsen, rollt sich zusammen und wirft sich weg. Mit welchem meiner beiden Hunde (Ich frage mich, warum gerade Hunde. Um in binären Denkweisen - darin sind wir ja ganz groß - zu bleiben: wahrscheinlich, weil Katzen einem eher den Finger zeigen würden, als es einem Menschen zu überlassen, welche von beiden jetzt überlebt. Alternativ hätte man aber auch Frettchen oder kleine Leguane nehmen können. Aber gut, wir schweifen ab - ) ich nun ins neue Jahr gehen werde - who knows? Vielleicht gehen wir auch alle in gar kein neues Jahr, sondern segnen am Freitag kollektiv das Zeitliche. Gehen über den Jordan. Schauen uns die Gänseblümchen von unten an (sofern es dann noch welche gibt). Vielleicht sollten wir mal die Zeugen fragen, was der angebrachte Terminus ist und was uns hinterher erwartet, die scheinen da ja Erfahrung zu haben (nach so viel political incorrectness sollte ich es jetzt eigentlich gut sein lassen, aber wir wollen mal nicht so sein, hm?).
In jedem Fall, das Jahr war kein ganz Schlechtes. Ist viel passiert, nicht nur bei mir. Man macht Fortschritte in unbestimmte Richtungen, aber zumindest tut sich was. Wir sind alle noch da und den meisten geht es gut, man hofft, es bleibe so. Und trotzdem - wenn das Leben dann mal aufhört zu rennen, wenn der Moment kommt, ab dem man wieder Zeit zu atmen hat, Zeit, in der Stadtbücherei rumzusitzen, Zeit, durch die Stadt zu mäandern und Schaufensterauslagen anzustarren ohne sie wirklich wahrzunehmen; dann, ja dann! Wird man melancholisch. Schon wieder n Jahr. Und, wo bin ich jetzt? Da, wo ich sein wollte? Wo will ich denn eigentlich sein? Was wollte ich überhaupt erreichen; das hier, oder doch was ganz anderes?
Und während man also ohne größere Energien aufs Fokussieren zu verschwenden in die Glasscheiben starrt, aus denen man nur selber dümmlich zurück glotzt, hinter einem die Leute hektisch letzte Weihnachtsgeschenke kaufen und die Temperaturen wieder eisern fallen, ohne sich davon ablenken zu lassen, dann grübelt man und grübelt und kommt sowieso zu nichts. Tut man nie.
Jahresende. Jedes Jahr das Gleiche. Wir resümieren und fragen uns: war das gut so, bin ich zufrieden? Manche von uns sind das wohl leider nie. Vermutlich gehöre ich da auch dazu. Aber immerhin! Ich bin in keine neue Stadt gezogen dieses Jahr.
Alles in allem, Melancholie hin wie her, die Weltformel habe ich immer noch nicht aufgestellt. Aber ich bin ihr doch mindestens ein Stückchen näher gekommen, zumindest innerhalb meines kleinen Kubikmeter Leben. Und über Hunde, die mich von innen anbellen, Persönlichkeiten, die sich um die Vorherrschaft streiten und der ganze Mist, darüber denke ich dann im neuen Jahr nach. Oder zumindest erst nach den Feiertagen (hohoho, Fressen für den Frieden, as every year!). Und bis dahin isses halt, wies ist.

Und falls es das morgen wider aller Erwartungen doch gewesen sein sollte (wenns denn echt so is, dann lach ich aber. Die Zeugen sagen den Untergang 216 Mal voraus und wir leben immer noch, und dann kommen die Mayas und machen einmal die Klappe auf...): Es war wundervoll, euch gekannt zu haben. Wir sehen uns im Jenseits.

Skål!

Samstag, 15. Dezember 2012

Titel



Wir sind der unumstößlichen Meinung, die Kleidungsindustrie kollaboriere mit der Diätindustrie. Die Konfektionsgrößen schrumpfen kontinuierlich auf ein mikroskopisches Maß, die Menge an pro Kleidungsstück verwendeten Stoffes erreicht in Kürze homöopathische Größenordnungen. Demzufolge werden wir in Zukunft nur noch mit ansprechend geschnürten Jutesäcken bekleidet auf die Straße gehen und zuhause aus Prinzip nackt herumlaufen, H&M und Konsorten mittels wohl überlegt platzierten Kaufnichtentscheidungen boykottieren und Tomaten anbauen. Letzteres hat jetzt keinen direkten Zusammenhang zum Rest, erscheint aber nichtsdestotrotz angebracht.

Nach dieser lockeren Einleitung zum Thema nun also das Wesentliche: es hat geschneit. Jetzt schneit es nicht mehr (das war das Wort zum Wetter, ich habe mir sagen lassen, es sei ziemlich über das Wetter zu reden).

Weihnachtliche Dinge, die ich in diesem diesjährigen unabwendlichen Zielspurt auf die Geburtstagsfete von diesem ominösen Kerl namens Jesus bereits unternommen habe:
- Weihnachtsmarktbesuche: 2,6
- Weihnachtsfilme: 1
- Kekse, gegessen: 15?
- Kekse, gebacken: 0
- mit kitschiger Weihnachtsmusik und parallelem Schwelgen in melancholischen Anfällen verbrachte Abende: 0,5

Anbei sei zu erwähnen, dass ich es zurzeit aus strategischem Protest gegen dieses unsere Bildungssystem stark in Erwägung ziehe, nach Abschluss meiner gloreichen und alles in allem stark ins Nutzlose tendierenden akademischen Ausbildung eine Tätigkeit im Reinigungswesen oder ähnlichem anzustreben. Vielleicht werd ich auch Busfahrer, da muss man zu niemandem nett sein.

Abgesehen davon dreht sich die Welt immer noch und Twilight habe ich auch gesehen. Ah, und James Bond und On the Road und Berlin Telegram und Drei Zimmer, Küche, Bad und Cloud Atlas und und und... Wir erkennen: ich gehe immer noch ins Kino. Ich vergesse nur grad gerne, drüber zu schreiben. Nächste Woche Anna Karenina, dann mal noch der Hobbit, of course. Ah, und Weihnachten. Nein, kein Film, ich echt, aber auch bald.

So long, ich werde nun Huhn zubereiten und es einfach so essen, da seht ihr mal, was ich für eine bin. Ich sehe, wir driften in niveaulich fragwürdigen Nonsens ab.

Cheers!

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Stollen und Scheiß


Ho ho ho*,

wenn einem Last Christmas aus den Lautsprechern sämtlicher Läden entgegen plärrt, wenn die Fußgängerzonen verstopft sind und die Menschen aus Festtagsgründen scheinbar extra langsam gehen, wenn man den Eindruck hat, seit Anbeginn der Zeit nichts anderes als Schokolade und Glühwein zu sich genommen zu haben, wenn einen quälende Überlegungen zum alles überschattenden Thema 'Geschenk' plagen und einen das seltsame Bedürfnis überkommt, Ally McBeal zu schauen (gut, das ist jetzt vielleicht ein individuelleres Problem) - dann, ja dann, Freunde des Lamettas, dann ist Weihnachten.
Schon wieder.
Meine Jahre vergehen so schnell, manchmal hab ich ja den Eindruck, da ein bisschen hinterher zu hinken. Seit ungefähr drei bis vier Jahren zum Beispiel will ich zu Weihnachten ein Märchen für Erwachsene schreiben. Immer noch nicht gemacht, auch dieses Jahr nicht. Generell habe ich dieses Jahr nicht viel weihnachtliches getan bislang: keine Kekse, keine Kerzen. Kam aber auch so plötzlich, grad war noch August und zwusch! Weihnachten. Verrückt. Und das, wo sie einen doch ab ca. September daran erinnern, dass es bald wieder soweit ist; Stichwort Stollen und Scheiß. Tja mei, der geübte Mensch kann auch am heimatlichen Bahnhof auf der Suche nach dem Ausgang die falsche Tür nehmen und aufs Gleis zurückgehen, von dem er gerade gekommen ist - da ist son bisschen Süßkram übersehen ja fast schon eine Anfängerübung.
In jedem Fall aber, und da werden wir uns wohl alle einig sein, stecken wir - überraschend oder nicht, manch einen hat die ganze Festtagsgeschichte ja vielleicht auch nicht ganz so überrumpelt wie mich dieses Jahr -  schon wieder mitten drin, der Punsch steht uns quasi bis zum Hals. Und sobald man das festgestellt hat verfällt man in Weihnachtsstandardmodus und steht auf einmal auf Al Green, Schnulzen (Love Actually...), Charles Dickens, Kerzen und in der Kälte rumstehen, sofern man dabei eine Tasse in der Hand hält. Gegebenenfalls fängt man auch an, ein bisschen über die Zeit zu lamentieren...
Wie dem auch sei - es weihnachtet mal wieder sehr. Macht damit, was ihr wollt, baut meinetwegen Schneepenisse und hängt Girlanden drumrum, solange ihrs ein bisschen genießt und bei längeren Aufenthalten im Freien die Tasse nicht vergesst. Weil eigentlich, wenn man jetzt mal dem Zynismus ein bisschen Pause gönnt, der freut sich ja auch, dann ist Weihnachten ja doch ganz schön. Und mir ists auch allemal lieber, dass ständig Weihnachten ist als ständig Luftangriff oder sowas. Wenn es nur nicht immer ganz so plötzlich käme...
In diesem Sinne: Schöne Weihnachtszeit - und früher war mehr Lametta!

*Nicht das, was ihr jetzt denkt. Ihr versauten kleinen Schweinderln.


Donnerstag, 25. Oktober 2012

Shenanigans.


Ich sitze auf einer Treppe vor der Kirche und versuche über den Straßenlärm hinweg dem Organisten zuzuhören. Ein riesiger Köter biegt um die Ecke und starrt mich aus großen, runden Augen in einem Kopf von der Größe eines Medizinballs an - erst auf den zweiten Blick sehe ich die Leine, an der der Köter seinen Besitzer nach sich zieht. Immerhin. Mein erster verräterischer Blick muss all meinen Schrecken über die unerwartete Konfrontation mit dem Hund der Baskervilles freigelegt haben, der Besitzer lächelt mich milde an, der tut nix. Der will nur spielen. Haben sie das von King Kong nicht auch gesagt? Keine Ahnung. Will nur spielen, okay. Dann geht er weiter, der Hund, und zieht sein lächelndes Herrchen nach sich, komm, Mensch. Mensch, komm doch endlich.
Alle anderen tun es ihm gleich, Passanten und Passäntchen. Gehen an mir vorbei und gucken vielleicht kurz, aber dann gehen sie weiter, alle von ihnen, irgendwohin, nach hause, in die Kneipe, ins Kino. Ins Kino will ich auch, später.
Ein Roller fährt vorbei und bohrt seinen durchdringenden Klang in die durch die dicken Kirchenmauern ohnehin dumpfe Orgelmusik. Der Wind weht mir die Haare ins Gesicht und sie bleiben auf meinen Lippen kleben, auf halbfeuchten, halbtrockenen Lippen, ein paar Haare, rote.
Wo der Köter von eben jetzt wohl ist und wie viele Mitmenschen er auf dem Weg dorthin noch erschreckt hat?
An der Straßenecke kurbelt eine blonde Frau Anfang fünfzig die Markise vor ihrem Laden nach oben; Zeit, abzuschließen, nach hause zu gehen. Nach hause, noch eine. Ich will immer noch ins Kino.
Vereinzelte, mollige Harmonien dringen durch die schwere Holztür. Es ist schön hier zu sitzen, die Passanten ziehen vorbei und die Musik trägt meine eckige Stimmung mit sich heraus, heraus aus meinem kleinen Quadratmeter Welt. Hier fühlt es sich gut an, okay. Das Leben, auf meinem Meter auf dem Meter auf dem Meter, Kubikmeter statt Quadrat. Mein Kubikmeter Leben, mit allen Menschen und Hunden und noch dazu in Moll. Vielrohrige Tongebilde, die von innen gegen das alte Gemäuer stoßen und sich eisern gegen den Metall aus dem schwarzen Auto an der Ampel wehren; Musik, die für den Bruchteil einer Sekunde in meiner Welt ist und dann nicht mehr. Genau wie der Hund und sein Besitzer, die blonde Frau und alle anderen. Kurz schieben sie ihre Fühler in mein Leben, dann ziehen sie weiter und lassen nichts zurück außer einen schalen Nachgeschmack, war da was? Immer ein bisschen mehr. Sammelsurium.
Wo sie hinwollen? Nach hause, in die Kneipe?
Keine Ahnung. Ich -  ich will ins Kino.

PS: Oxymoron. Jetzt haben wir auch ein Stilmittel.

Good nite.

Dienstag, 25. September 2012

Herbst.



Der Herbst ist mein Liebling. Schon immer gewesen und immer noch. Wenn alles bunt wird, windig und kühl, dann bin ich glücklich und freue mich darüber, wieder in Pullover und Stiefeln allein im Regen spazieren zu gehen- und ja, auch das habe ich schon immer gemacht und überall. Und überall hat es was für sich, in großen Städten ist der Herbst grauer und für manche vielleicht unfreundlicher, aber nirgends ist es so schön, sich mit einem Buch und einer Tasse Irgendwas in ein Café zu setzen und dem Herbst beim stürmen zuzusehen, wie in einer Stadt, in der besagter Herbst in regelmäßigen Abständen von U-Bahnen verdeckt wird und Unmengen von Menschen mit aufgespannten Schirmen vor dem Wasser flüchten, das auf sie niederprasselt und sie daran erinnert, dass der Sommer vorbei ist. Die meisten fluchen dann, und ich bin zufrieden.
Als Kind im Kaff, in dem meine Eltern wohnen, wars aber auch schön, wobei man U-Bahn da vermutlich im Fremdwörterlexikon nachschlagen würde und generell sowieso zu beschäftigt damit ist, seine Schafe zu scheren, als dass man sich groß Gedanken um den Herbst machen könnte (schert man Schafe im Herbst?). Da, wo niemand ist, geht auch keiner spazieren, der einen in seiner verregneten Ruhe stören könnte, und erst recht nicht wenns stürmt. Immer diese Schönwetterspazierer.
Hier ists aber auch schön- Tübingen mag ja klein sein, aber der Neckar unter schweren, bunten Bäumen, uralte Giebelhäuser am Ufer, Schwäne, die sich mental auf die Abreise in den Süden einstellen- das ist schon auch schön. Ein leichter Regenschauer- Cafés hats hier auch. Nur keine U-Bahnen.
Alles in allem ist der Herbst das Beste vom Jahr. Erst halbwarm und sonnig, dann immer kühler und deutlich weniger bunt- die Sonne wärmt nicht, "sie lässt uns kalt, sie scheint zum Schein" (der Kästner Erich, "Herbst auf der ganzen Linie")- ein Glück, sonst schwitzt man immer so in Mantel und Schal.

In jedem Fall aber- ich wünsche euch einen wunderschönen, orange-roten Herbst, viel Tee und Bücher, Peanuts (der große Kürbis wird kommen!), schöne Zugfahrten, knisterndes Laub, Drachen, Kastanienmännchen, Laternen, alte Kirchen im Abendlicht, Gruselgeschichten und ein bisschen Nachts im Wald ;)
Oder, um es (mehr oder weniger) mit Erin Morgenstern's Worten zu sagen:
I wish you a glorious autumn, pumpkin-flavored and sweater-cozy!


Dienstag, 18. September 2012

Das liest doch nur wieder keiner.


So. Ich bin grad so im Schreibfluss und habe geständigerweise auch bissl Wein getrunken, also dachte ich, ich sülz mal ein wenig im Äther herum, immer wieder nett, zumindest für mich, ich weiß ja nicht, wie ihr da so drüber denkt, und ja: Punkte.
Also. Heute war ich im Kino (oh nein, kollektives Aufstöhnen, die ersten verlassen ihre Plätze und gehen pissen, um sich währenddessen zu überlegen, ob sie nochmal zurückkommen oder lieber gleich nach hause fahren, wo ihre Frau Hackbraten mit Kartoffeln gekocht hat), in 'To Rome With Love', mal wieder ein bisschen Woody Allen, hat ja auch was. Das heißt, meistens hat Woody Allen was, You Will Meet A Tall Dark Stranger fand ich jetzt nicht so überzeugend, aber hey, jeder hat mal nen schlechten Tag oder ein schlechtes Jahr oder wie auch immer. It's not your day, your week, your month or even your year, wir kennen das ja. Zumindest die unter uns, die sich durch zehn Staffeln Friends geschaut haben, die dürften das ganz gut kennen, und ja, da zähle ich mich dazu (au weia).
In jedem Fall fand ich den ganz nett, kürzlich hab ich mir auch mal Midnight In Paris angeschaut, ja, auch schon, den fand ich echt gut. Den heute fand ich auch gut, ganz nett ist vielleicht ne Untertreibung und Mister Allen wäre wohl auch nicht so angetan von dem Urteil- wobei es ihm vermutlich eher egal ist, was kleine Mädchen aus der schwäbischen Provinz so über seine Filme denken. Wobei, Neurotiker denken über alles nach. Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung.
Also, wo war ich- ach ja. Der Film. War schon gut. Obwohl ich eigentlich nicht so ein Fan von Episodenfilmen bin, da gibts immer wen, den ich nicht mag, und dann muss ich ein Viertel vom Film damit zubringen (oder ein Fünftel oder Drittel, je nachdem eben, wie viele Episoden es so gibt) mir diesen Idioten anzuschauen. Ich glaube, deswegen habe ich auch einen Hang zu Büchern, die nur aus einer Sicht erzählt werden- wenn ich den einen Erzähler mag, schön, wenn nicht, weg damit. Wenn da ständig neue kommen ist das ja völlig unvorhersehbar.
Also, Woody Allen. Ich werde mir Annie Hall anschauen, den habe ich noch nicht gesehen, oh ja, steinigt mich. Den Paten hab ich ja inzwischen mal angeschaut, aber mit den Klassikern ist das ja auch so ne Sache. Alle sagen, musst du gesehen haben und dann schämt man sich, wenn mans dann nicht gut findet, obwohl wahrscheinlich niemand wirklich überzeugt davon war und alle nur so tun, weils ja ein Klassiker ist. So ist das eben, mit Tolstoi im Bücherregal gibt sichs viel besser an als mit Stephen King und trotzdem gefällt mir King besser. Okay, ich hab jetzt noch nie Tolstoi gelesen, aber ich schließ jetzt einfach rück. Also, von anderem. Egal.
Gut. Es regnet, der Sommer ist vorbei, ich find das ja immer sehr schön, andere weniger, so ist das eben, kann ich nichts machen. Aber ich find den Herbst super und auf Amazon bestellt hab ich auch heute. Also, nicht den Herbst, sondern Bücher, ja, noch mehr davon, manchmal spreche ich auch mit echten Menschen, im real life, nicht virtuell. Hätte das einer vor dreihundert Jahren gesagt, er wäre vermutlich verbrannt worden.
So weit, liebe Freunde des allenesken Humors, und nun ein wenig Werbung.


Samstag, 15. September 2012

50 Shades of Bienchen and Blümchen



Alternativtitel: Exactly Two Shades of Grey And One Hell of An Annoying Chick

Da denkt man, man kauft sich den Hardcoreporno (ja, okay...) und dann stellt sich das Ding als ChickLit Roman erster Klasse heraus, der noch dazu mit reichlich und nach der zwanzigsten einfach langweiligen Sexszenen vollgestopft ist, die dann noch nicht mal wirklich schockieren. Ja, mei, ne Peitsche- süß.
Die zuckrige Ana Steele ist ja angeblich 22, wirkt aber eher wie 16 und erweckt den vagen Eindruck, irgendwie mit Bella Swan verwandt zu sein. Da könnt es einem ganz anders werden vor lauter Naivität, Unschuld, Unerfahrenheit, Ungeschicklichkeit; dazu konstantes Erröten wegen allem und eine gewisse, gewaltig an den Nerven des gewillten Lesers zerrende Vergötterung dieses Kerls, der sich da Christian Grey nennt.
Der ist eigentlich auch das Einzige, was das Buch noch ein bisschen interessant macht, sofern man auf dark and twisted steht. Wobei auch da die Erzählkunst der Autorin an ihre Grenzen stößt: was ja ganz hübsch immer wieder angedeutet wird, wird nicht weiter erklärt als so kurz nebenbei, quasi zwischen zwei Orgasmen (die natürlich ausnahmslos alle überirdisch sind, is klar, ne) und auch da weniger zufriedenstellend. Wenn man sowas schon einbaut in seinen Sexroman, könnt man dann nich bitteschön vielleicht auch - ? Aber nein, sie vögeln lieber. Und ja, er will ganz fürchterliche Dinge und ja, Ana ist ja so unglaublich stark, dass sie das macht, und ihre Inner Goddess! Whoa...Oh my. Bah, Schreibstil, Miss James. Naja.
In jedem Fall- okay. Die 50 Shades lesen sich gut und ganz fix, gibt ja auch keine allzu verwirrende Handlung, die irgendwie verstanden werden will. Tatsächlich ist Handlung im Großen und Ganzen eher etwas, das man länger sucht und nachhaltig vermisst, aber gut. Bis Seite 200 ungefähr dachte ich ja noch, hm, okay, vielleicht kommt noch was, weil, wie gesagt, angedeutet wurde viel, gehalten wurden die Versprechen aber ja eher nur minimal. Die poppen halt. Er ist wunderschön und sie irgendwie doof. Die entscheidende, alles wendende Szene kommt 5 Seiten vor Schluss und das Ende selbst ist reichlich fad. Gelesen hab ichs trotzdem, offensichtlich, war ja auch ganz unterhaltsam, aber den zweiten Teil werd ich mir wohl dann doch nicht geben.
So weit so gut, jetzt ham wir auch mal nen Erotikroman gelesen.
Bleibt nur zu sagen: Säufste, stirbste; säufste nich, stirbste och- also: säufste!
Cheers!

Dienstag, 4. September 2012

Nachts im Zirkus


The Circus arrives without warning, no announcements precede it... It is simply there, when yesterday it was not.

Ich hatte mir dieses Buch gekauft, weil das Cover hübsch und der Titel interessant war. Zwei Anläufe habe ich dafür gebraucht, weil ich beim ersten Mal durch das Fehlen eines aussagekräftigeren Klappentexts als die obigen Sätze abgeschreckt war- wer weiß, was man sich da zulegt? Gemacht hab ich es dann trotzdem und bereut habe ich es keine Zeile lang: The Night Circus von Erin Morgenstern ist glaube ich eins der besten Bücher, die ich jemals gelesen habe- und da kommen schon ein paar zusammen.

Wenn man ein Buch aufschlägt und vom ersten Satz an nicht mehr davon lassen kann, wenn einem die knapp 500 Seiten einfach zu kurz erscheinen, wenn man Teil des Buchs werden will, weil einem alles außerhalb plötzlich noch trostloser und grauer erscheint als ohnehin schon, dann ist es ein gutes Buch. Nicht unbedingt förderlich  für Dinge wie Realitätsbezug, aber reality is overrated, anyway.

Eine Geschichte so einfallsreich und detailliert, so verschlungen und meisterlich erzählt wie ich es bislang glaube ich nur bei der Unendlichen Geschichte gelesen hatte. Ein Zirkus so dunkel und absorbierend und artistisch in jeglicher Hinsicht, ein schwarz-weißer Jahrmarkt der Wunderlichkeiten, mit dem vereinzelten Flecken Rot dazwischen. Eine Geschichte um Zauberei, Magie und Illusionen- und einen bizarren Wettstreit, ein bisschen Liebesgeschichte, viel erzählerische Finesse in Form kurzer Textabschnitte, die zu verschiedenen Zeiten am selben Ort oder zur selben Zeit an verschiedenen Orten spielen; erst ein wenig verwirrend, aber mit dem stärker werdenden Gefühl, dass sich die Fäden am Ende zu einem faszinierenderen Ganzen zusammenfügen werden, als man sich es erhofft hatte- ein Gefühl, das wohl kaum enttäuscht werden wird. Das Buch ist eine einzige Traumreise in eine Welt, in der Tiere aus Papier zum Leben erwachen und die Realität nach Belieben verändert werden kann, in der Uhren nicht einfach nur die Zeit anzeigen, in der niemand ist, wer er zu sein scheint und in der sich den Grenzen von dem, was vorgibt die Welt und das Leben zu sein nicht nur genähert wird, sondern in der sie mit wehenden Fahnen hinter sich gelassen werden.

Ein so schönes Buch. Ein dunkles Buch, ein bisschen Mysterium und viel Fantasieüberschwang. Viele lange Kleider und ein allgegenwärtiger Bowler-Hut, da in den späten Achzehnhunderten angesiedelt. Ein Buch, so schön, dass man gelegentlich verzückt schnurrend seine Wange daran reiben muss, um seine Zuneigung kundzutun...
Jetzt weiß ich, warum nicht mehr auf dem Buchrücken stand: man kann das, was sich alles zwischen den zwei Buchklappen befindet, unmöglich sinnvoll auf einer davon komprimieren, nicht mal ansatzweise.
Man muss: es einfach lesen.

Samstag, 25. August 2012

Französischer Fressblog



Bonsoir, mes amis-

über die Unterschiede zwischen französischen und deutschen Croissants könnte man wahrscheinlich wissenschaftliche Abhandlungen verfassen, wenn es einem nicht zu blöd wäre.
Das, meine Herren und jaja, die Damen auch, verbuche ich nun unter einem gelungenen Einstieg. Sowohl das Croissant in Nahrungsmittelform (wobei die französische Variante eher unter der Rubrik Frittierfett geführt werden sollte, wie ich finde) als Entrée ins Land der eigenwilligen Essenszeiten, als auch als literarischen blabla (Satz nach Belieben vollenden).
Essen ist ja sowieso so ne Sache in Frankreich, in jedem Fall hatte ich mehr als einmal den Eindruck, misstrauisch beäugt zu werden, während ich mir meine kreativen Kreationen aus davonlaufendem Weichkäse, Baguette und Keksen zu Gemüte geführt habe, vielleicht liegt das aber auch an der Paranoia. In jedem Fall aber kann ich ganz gut mit Käse und Baguette leben, kopfschüttelndes Äugeln hin oder her, nur  mit der französischen Kaffeekultur komme ich irgendwie nicht so richtig klar, war der beste Kaffee meines einwöchigen Aufenthaltes doch einer, für den der Franzose wohl ein weiteres Mal verzweifelt den tête geschüttelt hätte; Automatenplörre am Gare de l'Est, in Montparnasse war ich zu sehr damit beschäftigt mich nicht in den steinernen Eingeweiden im Betonbauch Paris' zu verlaufen.
Und um dem Essen noch eins draufzusetzen: Moules. Nicht geschafft. Keine Moules für Isa, weil der echte Franzose die nicht vor acht abends isst, eine Uhrzeit, zu der ich zumeist schon wieder mit Lidlwein in guter Gesellschaft beschäftigt war (shame on us). Wie dem auch sei, es gab sie, die Muscheln, sie sind kein maritimer Mythos- in jedem Fall liegen sie zu Hauf im Watt herum und warten auf ihre Schlachtung, sofern man bei Muscheln von Schlachten sprechen kann. Wattwürmer gabs da auch, aber ich bezweifle stark, dass die jemand isst- nicht mal die Franzosen.
Abgesehen von Essen kann man in Frankreich aber auch noch andere schöne Dinge tun, wie zum Beispiel überraschende 10 Kilometer Wanderungen in Espandrillos (nicht empfehlenswert, zumindest nicht wenn man die Espandrillos ist), oder auch radebrechen. Französisch radebrechen, wohlgemerkt, man darf natürlich auch gern eine andere Sprache zur Rate ziehen, dann kann man mit den Franzosen zusammen falsche Sätze bilden, aber in der Regel radebreche ich in Frankreich gern auf Französisch, sehr zur gelegentlichen Erheiterung meiner bedauernswerten Gesprächspartner respektive der guten Gesellschaft- insbesondere nach dem Genuss einer Flasche Lidlwein. Trotz allem lässt man sich davon jedoch nicht abhalten, wobei man in der Regel überlebensnotwendige Dinge dazulernt: tire-bouchon wäre da so eins, oder auch café à porter. Womit ich eigentlich schon wieder beim Essen bin- bei der Gelegenheit kann also auch gleich noch angemerkt werden, dass das Gefühl, mit seinem Reisewörterbuch, dass als einzige essbare Tiere poule und crevette führt, das Übersetzen von Speisekarten nicht nur peinlich ist, sondern das Bestellen gleichermaßen ein wenig einem russisch Roulette gleicht. Nicht, dass unsereins so experimentierfreudig wäre- Galette avec fromage liegt noch im Bereich der gewagten, sprachlichen Möglichkeiten, auch wenn die auf den ersten Blick wenig zugehörige, nichtsdestotrotz bedauerlicherweise passende Antwort des leicht gelangweilten Kellners ('Feel free to speak English') dann doch ein winziges bisschen demütigt. Man gelobt Besserung und wälzt sich abends bestimmt zehn Minuten lang durch den A1 Wortschatz (Französisch Leistungskurs, o Holder Traum meiner schlaflosen Nacht im zugigen Zelt, lang ists her).
Zuzüglich ließe sich jetzt noch so einiges anmerken, Sand in der Badehose zum Beispiel, kostenlose Navettes, der Atlantik, lustige Jungs, die einen im Carrefour ansprechen, ob man ihnen Vodka kaufen kann. Eine prima Bucht in flimmernder Hitze, Möwen, Strand am Abend und in höchstem Maße gelungene Fotos von selbigem. Ach, erwähnte ich das Essen? ...
Nun. In jedem Fall ein gelungener Urlaub, Wetter gut, Wasser salzig, die Moules waren frites, auch wenn ich keine davon bekommen habe. Der Zeltplatznachbar war ein wenig gruslig und ich könnte schwören, dass er am letzten Abend meine letzte Dose Bier von vor dem Zelt geklaut hat, aber das ist jetzt ein anderes Kapitel, vielleicht sollte ich wirklich mal einen Blog zum Thema 'Die ungeahnten Freuden Paranoider Spinnereien' oder so ähnlich schreiben.
Ansonsten bleibt nur zu erwähnen, merci, pour des vacances formidables! Und:

Vive la France!

PS: Ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, den ganzen Text auf Französisch zu verfassen. Dankt mir, dass ich es nicht getan habe, wahrscheinlich wars zum Besten aller Beteiligten.

Dienstag, 24. Juli 2012

Haircut and stuff



N'Abend.

Filmtrailer sind was Großartiges. Der vom in zwei Tagen endlich anlaufenden dritten Teil der Nolan-Batman-Trilogie, The Dark Knight Rises, auch. Was wahrscheinlich auch zum großen Teil an der Filmmusik des unfassbar produktiven (ich meine, ehrlich, zu welchem Film hat der die Musik nicht gemacht?) Hans Zimmer liegt, der es einfach jedes Mal schafft, einem ein Kribbeln über die Arme laufen zu lassen; und nein, es führt keine Ameisenstraße durch mein Zimmer.
Und das Beste an Trailern ist: wenn man den Trailer gesehen hat, dann weiß man, dass noch viel mehr kommt. Der ganze Film nämlich. Und, oh, was bin ich aufgeregt ob des auferstehenden Dunklen Ritters, war doch der letzte Teil so toll, dass meine Umwelt wahrscheinlich wenn ich nur den Titel in den Mund nehme, egal in welchem Zusammenhang, auf Spamfilter geht und übers Abendessen nachdenkt. Getoppt wurde das glaube ich zeitweise nur durch The Social Network und Inception.
Abgesehen davon aber dachte ich, man könnte so ganz allgemein mal wieder über Filme reden. Macht man ja sonst nie. Beispielsweise war ich vor einer Woche im Kino, in Cosmopolis, in der deutschen Fassung, bedauerlicherweise; Tübingen hat ja schon ein paar Kinos, ein Originalsprachliches ist nicht darunter. Was bei genauerer Betrachtung eigentlich schon fasst ein Affront gegen die hier vorherrschende akademisch elitäre Snobkultur sein müsste, es in meinen akademisch elitären Snobaugen auch ist, trotz allem aber dennoch weiterhin nicht geändert wird. Nun. In jedem Fall war der Film trotzdem sehenswert, ein bisschen gewöhnungsbedürftig vielleicht, sehr langsam und doch eher überdurchschnittlich viel im Inneren einer Stretchlimousine angesiedelt (genau genommen kenne ich keinen anderen Film, der überhaupt zu größeren Teilen in Stretchlimousinen stattfindet, aber vielleicht ist meine Allgemeinbildung da ja auch lückenhaft). Kaum Musik und eine Sprache, die unauthentisch und hochgestochen wirkt- und es auch ist, sobald man allerdings den Flow von Cosmopolis aufgegriffen hat passts auf einmal: theaterhaft und kalt, der ganze Film lässt einen seine Distanziertheit spüren. Wortlastig, kontrolliert; ein Film wie aus Glas und Stahl und dem gelegentlichen Hauch schwarzer Seide. Der Hauptcharakter ein junger, stinkreicher Wall-Street-Boss, der einerseits den Untergang fürchtet und ihn andererseits geradezu sucht- eine Beziehung zu einer Frau, die emotionsloser und theoretischer nicht sein könnte, und immer wieder Sex, als Sport, als Ablenkung, als Lückenfüller. Außerhalb der mittels High Tech mit Science Fiction Potential zum Kontrollzentrum finanzieller Macht umfunktionierten Limousine randaliert die Welt gegen genau diejenigen, die sich darin befinden. Im Inneren des Wagens herrscht eine kühle, sterile Atmosphäre, von dort aus wird die Welt kontrolliert; von außen rebelliert sie laut und dreckig dagegen an und schüttet Farbe über die Karosserie. So und so ähnlich geht der ganze Film, und dabei will sich der Hauptprotagonist doch nur die Haare schneiden lassen...
In jedem Fall durchaus sehenswert, vielleicht nicht jedermanns Cup o' Tea, aber was ist das schon. Mir hats gefallen.
Weniger gefallen hat mir tatsächlich Sleep Tight, ein spanischer Film, ein Psychothriller. Ein Portier, der nachts mit ein bisschen Äther und viel krankem Geist seine bizarren und beängstigenden Spielchen mit einer unwissenden Anwohnerin des Hauses, in dem er arbeitet, treibt; mit grusligem Ausgang und definitiv keiner ausgleichenden Gerechtigkeit. Der Film haut einen jetzt nicht um, ästhetisch oder sprachlich, aber er hinterlässt mit Sicherheit ein Gefühl, wenn man aus dem Kino kommt- und zwar kein Gutes. Eher ein einengendes und unangenehm realistisches: das könnte wirklich passieren... Also, nicht einer meiner Favoriten. Aber wer auf durchgedrehte Freaks steht, die nachts unter dem Bett liegen und ihrem Opfer langsam und systematisch das Leben zur Hölle machen, der könnte seinen Spaß daran haben.
So. Als letztes würde ich jetzt gern noch einen Buchtipp loswerden. Könnte sein, dass ich damit jetzt auf kollektiv taube Ohren stoße, aber ich oute mich jetzt mal: Ja! Ich bin ein Fan der Young Adult Fantasy. Im Besonderen momentan ein Fan von Cassandra Clare und der Mortal Instruments Reihe. Ja, Reihe- zum Glück, gibt es doch kein besseres Gefühl (nagut. Was Literatur anbelangt vielleicht) als vor einem geschlossenen Buch zu sitzen und mit glückseliger Verzückung aufs Cover zu starren, weil man weiß, dass man nicht nur diesen Band noch nicht gelesen hat und sich darauf freuen kann, sondern dass man die nächsten FÜNF Bände noch nicht gelesen hat und sich darauf freuen kann! In jedem Fall- meine Begeisterung kennt keine Grenzen. Wer auf Fantasy, genau genommen Urban Fantasy, ein bisschen adoleszent verwirrte Lovestory, viel (viel!) Handlung, Dämonen und böse Feen steht, der sollte sich das mal anschauen. Alle, die aus Prinzip nur existentialistische Kurzprosa lesen: sorry. Aber ich find die Bücher grandios.
Gut. Damit dann auch genug gesülzt, wir hoffen es geht gut!

So long-

Samstag, 7. Juli 2012

Mein erster Stalker!


Salaam, Freunde.

Heute habe ich meinen ersten Stalker bekommen. Eigentlich glaube ich habe ich ihn zwar schon länger, ohne dass ich etwas davon gemerkt hätte (was, zugegebenermaßen das Attribut "Stalker" ein bisschen übertrieben wirken lässt. Aber klingt halt so gut...), und zwar etwa seit Oktober, November 2009. Da habe ich nämlich, damals noch jünger und noch dümmer als heute, in einer badischen Metropole nahe des Rheins gewohnt, weil ich mich in dem Irrglauben wägte, vielleicht unter Umständen wenn gar nichts anderes geht später mal Lehrer zu werden, weswegen ich eine dort ansäßige Bildungseinrichtung zur Heranzucht und Weitervermtitlung von Lehrkräften besuchte. Da man sich aber nicht nur mit eben diesem, sondern auch mit anderem, wie z.B. Essen, Schlafen, Alkohol und Parties beschäftigt hat, war man zu gegebener Zeit auch gelegentlich andernorts als in besagter Bildungszucht anzutreffen, beschäftigt mit einem oder mehrerem der besagten Dinge. An dem Abend, der mir meinen Teilzeitstalker beschert hat, habe ich mich zum genauen Zeitpunkt mindestens zwei der Tätigkeiten hingegeben: Alkohol und Parties.
Wir präzisieren: PH Party. Man langweilt sich ein winziges Bisschen und versucht zunächst, das mit Alkohol zu bekämpfen, was nur moderat funktioniert. Man verlässt den Club und stellt sich davor, weil man da rauchen kann und sich vielleicht mit jemandem unterhalten, der sich auch langweilt. Man findet also einen weiteren vom Leben angeödeten und fängt ein Gespräch an, das auch ganz lustig ist, man unterhält sich über Psychologie Heute und fühlt sich in seinen Sicherheit spendenden Pegel gehüllt ungemein intelektuell.
Dann beschließt man allerdings, dass es genug ist für den einen Abend und kündigt an, die Heimreise anzutreten. Das Gegenüber stimmt zu und sagt:
"Ich komm noch mit zur Straßenbahn."
Man läuft also los und kommt an die Haltestelle, wo die Bahn fahren soll- und genau das tut sie auch, einem selbst aber leider nur vor der Nase weg. Das veranlasst einen zu folgender Aussage:
"Dann lauf ich heim."
Und, zum allergrößten Entsetzen, erwidert der andere, der, mit dem man aus Langeweile ein Gespräch angefangen und ihn auf der Wortstrecke von Hallo bis Wie heißt du für unattraktiv befunden hat:
"Gut, ich lauf noch mit."
Entsetzen, da: er in die exakt andere Richtung musste und es ungefähr ziemlich kalt war, außerdem spät und verhältnismäßig dunkel. Aber gut.
Man läuft also weiter, er erzählt bestimmt irgendwas, so genau hört man nicht hin. Bei nächster Gelegenheit versucht man ihn diplomatisch davon zu überzeugen, dass man auch alleine heimfindet und er doch sonst den ganzen Weg zurück muss (*winkender Zaunpfahl). Daraufhin er:
"Na gut. Aber kann ich dich irgendwie erreichen? Email? Facebook? Handy?!"
Oh, denkt man sich. Der is ja hartnäckig. Bedauerlicherweise ist man selbst müde, betrunken und lustlos und hat absolut keine Ambitionen,  sich noch länger mit der Materie zu beschäftigen, also (und hier ein GROßER, GROßER FEHLER) gibt man ihm seine Handynummer. Und denkt, er wird schon nicht mehr dran denken.
Am nächsten Tag stellt man fest, dass er das doch hat, daran gedacht. Man hat nämlich eine SMS auf dem Handy. Von ihm. Man windet sich also ein bisschen in seinem Unbehagen und ringt sich schließlich durch, diplomatisch, aber eindeutig zu antworten. Vielleicht wars n bisschen zuviel Diplomatie und zu wenig Eindeut, aber in jedem Fall kommen noch paar mehr SMS, dann ist Ruhe und man denkt:
"So, das wars jetzt."

Ungefähr zwei Monate später ist Silvester und man feiert. Um Mitternacht tut man das auch noch, und zwar im Freien, mit Sektflasche in der Hand. Dann klingelt das Handy (das eine Mal, wo die neujährliche Netzüberlastung tatsächlich hilfreich gewesen wäre, war sie natürlich nicht da. Quasi nicht erreichbar.) und man geht hin, weil, man weiß ja nicht. Und man hört: dumpf und vage, es kracht und rummst überall und die Leute schreien sich Dinge in die Ohren wie "Gutes Neues!"; wir erinnern uns: es ist Silvester, eine Männerstimme, die man nicht einordnen kann. Also fragt man mal:
"Bist du der ... ?" (Der war er übrigens nicht.)
Murmel, murmel. Irgendwann ein Satz:
"Ich bin der --- aus Brasilien!"
Man denkt sich, hm, okay, der muss sich verwählt haben, ich war nie in Brasilien. Das sagt man der mysteriösen Stimme auch, wünscht ein Gutes Neues wie alle und legt auf. Erst Stunden später dämmert einem, dass die Stimme nicht "Brasilien", sondern "Brazil" gesagt hat, was der Name des zwei Monate zuvor besuchten und gelangweilt verlassenen Clubs an der rheinischen Megacity war, in dem man besagten --- kennengelernt und ihm seine Nummer gegeben hatte. Oh, peinlich. Man schämt sich, aber die Angelegenheit verliert sich trotzdem im trüben Hirngewässer postneujährlicher Demenz.

Und nun, wir schreiben das Jahr 2012 und man wohnt schon lang nicht mehr am Rhein, jetzt wohnt man am Neckar. Das mit dem Lehramt hat sich auch erledigt, wie auch so manch anderes, die selbe Telefonnummer hat man aber noch. Und --- hat sie scheinbar auch noch, denn: es klingelt.
I: "Hallo?"
---: "Hallo, hier ist der ---. Kennen wir uns?"
I: "Weiß nich. Nee. Warum?"
---: "Weil ich deine Nummer hier hab. Hast du zufällig mal in [einer Megametropole am Rhein] gewohnt?"
I: "Ja. Du auch?"
---: "Ja. Dann kennen wir uns bestimmt von da."
I: "Wir kennen uns aber gar nicht. Lösch einfach meine Nummer."
---: "Ja, aber...."
I: "Wäre die logische Konsequenz."
---: "Ja, das wäre eine logische Konsequenz..."
I: "Ja, dann is doch super. Also."
---: "Na, man könnte das ja auch anders handhaben..."
I: "Wie'n?"
---: "Ach...."
I: "Komm, einfach löschen."
---: "Ja, das könnte man so machen. Geht ja ganz schnell."
I: "Genau."
---: "Ja...okay. Schönes Leben noch."
I: "Ja, komm. Behalt die Nummer halt und meld dich in nem Jahr nochmal, um mich zu fragen, ob wir uns kennen. Is aber auch nicht so sinnvoll."
---: "Ja, haha, nein..."
I: "Ich lösch deine Nummer dann auch [ich hatte seine Nummer gar nicht mehr]."
---: "Ja, gut, wenn das das ist, was du willst...."
I: "Jep. -lacht- "
---: "Warum lachst du jetzt?"
I: "Weil mir das nich so oft passiert, sowas hier. Ich lösch Nummern einfach immer. Machen glaub ich die meisten so."
---: "Ja, aber, das kostet ja nix jetzt."
I: "Hä?"
---: "Nochmal nachzufragen."
I: "Nee, nur Geld. Und Zeit. (Und Nerven.)"
---: "Ja, ich dachte..."
I: "Was dachtest du?"
---: "Ach..."
I: "Wir löschen jetzt beide die Nummern und die Sache hat sich erledigt. Hat ja jetzt keinen Sinn hier."
---: "Ja, nagut, okay... also dann...."
I: "Also dann. Machs gut."
---: "Ja..."

And then we hung up. Was lernen wir daraus?
-Gebt Fremden nicht eure Handynummern, es sei denn, ihr wollt sie *ögeln
-Traue keinem, der 'Psychologie Heute' ließt

In der steten Hoffnung, in drei Jahren nicht nochmal was von --- zu hören und sich durchaus dessen bewusst, dass der gute Mann vielleicht wirklich einfach gerade alle Handynummern seines Mobiltelefons durchkämmt hat und nun jede einzelne anruft, die er nicht mehr zuordnen kann (aber dann wäre die Geschichte nur halb so unterhaltsam gewesen, gebts doch zu)-

Cheers!

Dienstag, 3. Juli 2012

Фузион !



Mesdames et Messieurs, je vous présente la Fusion [sprich: Fjuschn] !
Es fällt gar nicht leicht, etwas über die Fusion, dieses freakige, bunte Festival weit oben im Norden, wo die Berge flach sind und das Meer nah ist, zu schreiben. Weil man über alles gleichzeitig reden will, und alles ist in diesem Zusammenhang ziemlich viel. Hinzu kommt das Problem, dass sich manche Dinge doch schwerlich nur mit Worten ausdrücken lassen, manchmal bedarf es mehr. Aber da wir hier ja die wunderbare Möglichkeit haben, mal mehr zu machen, tun wir das jetzt auch einfach: im Folgenden bitte ich, folgenden Link auf voller Ntzntz-Lautstärke laufen zu lassen und dann ein bisschen den Kopf abzustellen, damit könnte es ganz gut funktionieren.
Und nun, Obacht! Impressionen. Wir haben geklebt, wir haben geglitzert, wir waren dabei!


http://www.youtube.com/watch?v=8qSKovCptTI&feature=related



50 000 Menschen, ein riesiger Zeltplatz, 35 Grad, blauer Himmel. Anstrengende Anreise, die sich schon im ersten Sekundenbruchteil des ersten Biers lohnt- subtiler Bass von weit her. Dreckige Wege, die im Laufe der Tage noch dreckiger und noch staubiger werden sollen; Dixiklos- die Damenwelt freut sich. 
Zeltaufbau, die Sonne brennt und die Gummistiefel bleiben in der Tüte. Erster Gang aufs Gelände, das subtile Basswummern wird allumfassend, kommt von allen Seiten, in verschiedenen Ausprägungen.
Langsam sinkt die Sonne tiefer, es wird Nacht und die Lichter gehen an, die Lichter und Leuchten und Feuer und das Glühen im Auge nach sieben Mate. Digitalism spielt und der Mond geht auf, hinter der Bühne, hinter denen, die auf der Bühne stehen und Fackeln schwenken und dabei auf die hüpfende Masse bunter Menschen hinabblicken. Mondliches Gegenlicht hinter ihnen und Bassstampf, Grinsen im Gesicht: das Leben ist okay, wenn man mal so drüber nachdenkt. 
Danach, wo treffen wir uns noch? Große Gruppen auf großen Festivals neigen dazu sich aus den Augen zu verlieren. Trotzdem, die Nacht gibt ihr Bestes, man zuckelt von einer Bühne zur nächsten. Glitzern, überall Glitzern: im Wald, am Himmel, auf den Gesichtern, die sich langsam bräunen und in Kürze ins zarte Rot abstechen werden. Die Realität hat sich ins Arbeitszimmer verzogen und schmollt ne Runde.
Musik, noch mehr Musik. Wir laufen viereckig, geradeaus gehen verkommt zur Verpöntheit, der Beat ist groß und der Bewegungsdrang ist es auch. Stampfstampf, haste maln Pape? Ich hab auch Bier. Ein Jahrmarkt; eine einzige Freakshow. 
Sehr kurze Nacht, die Sonne war kaum weg, da ging sie auch schon wieder auf, im Land der flachen Berge noch viel früher, viertel nach Drei und zartes Gebläu am platten Horizont. Immer noch Bass, später im Schlafsack auch noch, genau wie das Grinsen im Gesicht: Fusion...
Am nächsten Morgen haben wir tatsächlich fusioniert, mit der Kleidung, die wir tragen, dem Schlafsack, in dem wir liegen, dem Dreck: es ist heiß. Um zehn klingelt einen die Sonne aus dem Bett, raus da! Die Fusion macht durch und erwartet deine Aufmerksamkeit.
Aufstehen, Kaffee, Gaskocher sei Dank. Sonnenbrille auf Nase festtackern und weiter, weiter- die Hitze schiebt unsere bleichen Ärsche an den See und dort braten wir, das Rot manifestiert sich. So ist das tatsächlich Urlaub, alles. 
Auf dem Rückweg was essen, vegane Burger und Nudeln, Reis und Fladen oder einfach Tofuwurst. Zum Zelt und dann aufs Gelände. Nen leicht schrägen Blick hat man schon. 
Dann, tanzen, so viele schöne Menschen, die tanzen, sich bewegen und ihr Sein feiern. Wir feiern mit und verlieren uns auf der Strecke, aber finden uns später wieder. Es wird nie kalt.
Und so gehts grad weiter, der eine Tag geht in den nächsten über, abends leichtes Gewitter, Wind und Abkühlung, die Menschen halten ihre Zelte fest und warten ab. Danach Gewusel und das glühende Gefühl vom Zusammensein: ich fühl mich so festival, und ihr alle fühlt euch mit. Geile Sache.
Nach dem kleinen auch noch ein großes Gewitter, eins, das einem Angst macht und Pavillons durch die Luft weht, morgens um fünf. Schockmomente mit gutem Ende, danach schlafen und beim aufwachen wieder Hitze. Die Fusion meint es gut mit uns. 
Das und noch siebzehnmal so viel: zuviel zu berichten, zuviel für ein einziges Festival. Akute Reizüberflutung, Gitarre spielende Roboter, Trancefloor. Feuershow, Stromrumspieler, kleine Bands und große Anlagen. Rudernde Skelette, Spelunken und freie Plätze, Knicklichter. Überall leuchtets und blinkts, in jeder Ecke n anderer Beat; man kommt nicht mehr nach und lässt sich einfach treiben. Ungeduscht wie man ist, was sollte einem denn passieren? Bei den Menschen, was sollte schief laufen? Wir lieben nicht Liebe zu dritt, sondern zu fünfzigtausend. Da packt man doch mal den Zyniker ein und setzt ihn neben die Realität, dann sind sie beide nicht so alleine und man selbst kann sich dem Universum hingeben. Kann sich im Glitter wälzen, im echten und in dem, den man sich auf die Seele streut: man ist glücklich, tatsächlich.
Und dann, nach vier Tagen, ists vorbei. Es klingt langsam aus und wir bekommen noch ein bisschen Klassik zum Schluss, dann erste Abreisende und weniger Zelte; langsam ebbt es ab und die Müdigkeit wird übermächtig. Die Musik schwindet, nur noch vereinzeltes Gerummse- schade. Aber man hat mitgenommen, was es zu haben gab, und es war gigantisch. Laut und mächtig und alles in sich aufsaugend. Wir rutschen unter die große Glasglocke und gucken von innen raus, die echte Welt ist seltsam, hier drinnen ist es schön; darf ich bleiben?
Und schließlich ist es doch Montag und man steigt ins Auto, totmüde, rotbraungebrannt, so dreckig, dass man meinen könne, es ginge nie wieder ab. Die Gummistiefel kamen nur einmal aus ihrer Tüte, jetzt sind sie wieder gut verpackt. Der Müll kommt weg und dann verlässt man es, das Gelände, den Zeltplatz, die Fusion 2012- und langsam verzieht sich der Bass in den verschwindenden Hintergrund. 
Das Grinsen im Gesicht aber, das bleibt.

Sonntag, 17. Juni 2012

Cirque d'Imagination


Freunde der Nacht!

An diesem gerade gemächlich ausklingenden Wochenende war hier in der Stadt am Ende der Welt eine hübsche 48 Stunden Party, weit oben auf dem Berg, da, wo man der Sonne näher ist und die Realität ohne Fernglas auch nicht mehr so gut erkennen kann- oder auch einfach im Leibnizhaus 3, Tübingen. Wir feiern den Sommer, den frisch aufgekeimten, und am besten tut man das mit einem Fest zu seinen Ehren, einem Sommerfest. Möglichst lang und möglichst weit weg von der echten Welt. Das, denke ich, haben wir ganz gut hinbekommen:
Es gab Musik drinnen und Lichter im Freien, Club Mate mit oder ohne Vodka, ein bisschen Feuer in Tonnen oder am Kopf eines Pois, Freitags weniger, Samstags mehr Besucher. Es gab Reis mit Scheiß gegen den individuellen Unkostenbeitrag, ein atmosphärisches wenngleich bizarres Theaterstück mit Seifenblasen und Rauch, eine ohne die übrigen Lichter der pulsierenden Kleinstadt ein wenig einsame und trotzdem großartige Kerstin mit Klampfe und Texten mit Grübelpotential. Mehr Bands, auch noch.
Außerdem gabs warme Temperaturen in tiefster Nacht, vereinzelte Zelte, ein paar größere und kleinere Kinder, viele Decken zum drauf sitzen, das eine oder andere geschossene Foto, lebende Statuen, Zirkustiere, Butterbrezeln und irgendwann auch ein paar Regentropfen, aber wirklich nur ein paar.
Alles in allem zwei wunderbare, schlafmangelnde, unter bunten Lampions sanft leuchtende Tage und Nächte; vor allem Nächte, aber das muss ohnehin nicht erwähnt werden. Nächstes Jahr, wohl doch, wieder- denn:
Fabelhaft im wahrsten Sinne des Wortes wars, im Zirkus der Fantasie.


Sonntag, 10. Juni 2012

Gedanken zum Thema


Booyakasha!

Soeben hat ein Wecker in unserer Küche geklingelt, aus Gründen, die mir vermutlich auf ewig verschlossen bleiben werden; dafür aber recht penetrant. Man beachte: es ist zwei Uhr morgens, was jetzt natürlich nicht heißt, dass man aus diesem banalen Grund schon geschlafen hätte und jetzt von besagtem mittelalterlichen Gehörgangsfolterinstrument geweckt worden wäre, nein. Aber man kann sich ja nie so sicher sein, ob nicht vielleicht auch in halb verrotteten Gebäuden aus der Ritter Sport Epoche (quadratisch, praktisch, gut)irgendwo ein paar schrille Feuermelder angebracht worden sind, die losgehen, sobald einer der Bewohner besagten Hauses vergessen hat, den Herd auszumachen, oder den Toaster- um daraufhin den Feuermelder zu überhören und elendig im Qualm zu verrecken. Wenn! ja, wenn es da nicht mich gäbe, die todesmutig in die Küche schleicht und dem wichtigtuerischen Wecker den Garaus macht. Ha. (Hierzu sei anzumerken, dass ich bis eben immer noch dachte, es würde "den Gar aus machen" heißen, und mich immer wieder gewundert habe, was denn ein "Gar" sein soll. Die tatsächliche Schreibweise klärt das vorhandene Problem zwar in keinster Weise, wirft dafür aber gleichzeitig neue auf. Ganze Arbeit!)
Abgesehen davon. Mir fiel auf, dass ich schon lang keine Filme respektive Bücher respektive Serien mehr versucht habe hier an den Mann zu bringen (oder an die Frau, Gender und so). Und ich sage bewusst: hier. Im echten Leben wird natürlich mit missionarischem Eifer vorgegangen und jeder, der sich diesem nicht beugen will, gevierteilt (warum werden Äpfel geviertelt und Menschen gevierteilt? Okay, ich korrigiere mich: alle, die sich nicht beugen wollen, werden geviertelt. Zwei Teile ess ich gleich und die beiden anderen frier ich fürs Frühstück ein.)
Das wäre vermutlich auch die angemessene Vorgehensweise in den Augen der bösen Königin Charlize Theron im neuen Kristen das Mäuschen Stewart Film Snow White and the Huntsman- vierteilen, oder auch vierteln, meine ich. Das hätte sie auch mit Snow White machen können, so ab 25, 30 Minuten in den Film hinein, spätestens. Hätte einem viele Nahaufnahmen des faden Gesichts von besagtem Twilight Häschen erspart; den einen Gesichtsausdruck, den man da so unzählige Male bewundern darf, kennt man sowieso schon aus ungefähr allen anderen Stewart Filmen, und zwar ausschließlich diesen. Immer wieder erstaunlich, was für Leute so Schauspieler sind und damit tatsächlich Geld verdienen- aber das nur anbei. Charlize Theron war übrigens großartig- die dunkle Seite hat ja auch Kekse, is klar, ne.
Gut. Im Vergleich zum anderen Schneewittchenfilm dieses unseren apokalyptischen Partyjahres (Mirror Mirror) war Snow White allerdings tatsächlich noch ganz sehenswert. Wie auch immer.
Dann, weiter im Text der grüsteren (gruslig und düster. It's gonna be a thing!)Filme der näheren Vergangenheit: Dark Shadows. Heiß ersehnt und dann fast schon ein bisschen lame. Johnny, der Depp, nicht in Höchstform (man verzeihe mir meine flachen Witze, lächle schwach und lese weiter). Vereinzelte Momente waren da- wie auch bei The Dictator von Borat alias Brüno alias Ali G oder auch Sacha Baron Cohen (eins ausuchen). Der war okay, hätte man jetzt auch mehr erwarten können, aber man kann sich ja auch am Riemen reisen und das einfach mal nicht tun, dann ist er ganz unterhaltsam; ist er eigentlich auch so, aber eben, wie gesagt, eher momentaufnahmenhaft- in einigen, wenigen erhellenden Szenen begeistern beide Filme, der Rest ist solider Durschnitt. Man kann nicht alles haben, Kekse und gute Filme, wie mir scheint.
Des weiteren- Serien. Im Zuge der soeben fertig geschauten achten Staffel einer alteingesessenen Arztklitsche namens Grey's Anatomy muss ich da jetzt mal drauf zu sprechen kommen. Besagtes betagtes menschliches Metzgerstück wird nämlich mit jedem letzten Atemzug der allesamt totkranken Patienten abgehobener; werden eben jene selbstverständlich alle doch noch von Dr. McDreamy Shepherd gerettet, und das TROTZ einer optimistisch geschätzten Überlebenschance von -4 Prozent. Ans lächerliche grenzend unglaubwürdig. Also, nicht, dass ich von Serien Glaubwürdigkeit erwarten würde- trotzdem, Amoklauf, Senkloch, siamesische Zwillinge, die am Hintern UND an der Nase zusammengewachsen sind, Flugzeugabstürze- kurzum: ja. Genau.
Da lob ich mir doch das Comedygenre und hierbei gleich zwei Fundstückchen, das eine ein bisschen mehr als das andere: Schaut mal (zuerst!) New Girl, und danach Two Broke Girls. Ja, als Student hat man gelegentlich viel freie Zeit und in der Regel freies Internet. Praise the Lord!
Beschreibungen sind mir jetzt ehrlich zu anstrengend, mein missionarischer Eifer ist ermattet, wir müssen ins Bett (mein Eifer und ich, verdammt! Und es ist nichts Verwerfliches am Pluralis Majestatis). Dröhnende Wecker, wenig Schlaf und die Uni, die dumme Nuss, fordern ihren Tribut.
Bleibt nur zu sagen: yo, wicked, ma man !

PS: Schreibfehler und so. Alles gewollt. Total.

Dienstag, 5. Juni 2012

Service temporarily unavailable


Manchmal fragt man sich ja schon, was das alles eigentlich soll. Warum man hier ist und alle anderen auch, warum manche dann irgendwann nicht mehr hier sind und wiederum andere aus völlig unerfindlichen Gründen 107 werden. Man fragt sich warum und wieso und wie kann ich diesem ganzen Dingens namens Leben irgendwie gerecht werden; wie kann ich so leben, als dass ich nicht den Eindruck habe, mein unbegründetes, aber allem Anschein nach irgendwie superwichtiges, Dasein zu vergeuden.
Ja. Das fragt man sich. Und dann steht man erstmal da und denkt nach und kommt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sonderlich weit damit.
Und dann ließt man schlaue Bücher (und nein, ich zähle das Gesamtwerk Paulo Coelhos nicht zum Lebenserhellendsten), dann fragt man mal die anderen, und dann hockt man wieder da und fragt sich selbst und ist keinen Meter weitergekommen als beim ersten Mal.
Dann theoretisiert man wild und gelegentlich betrunken in der Gegend herum. Oder, wahrscheinlicher: man hat das bereits getan, während man nämlich damit beschäftigt war seine Bücher zu lesen und sein bedauernswertes Umfeld nach deren Meinung über den Sinn des Lebens zu löchern (wobei, wenn eben jenes dabei auch betrunken war, dann macht es erfahrungsgemäß ganz gern mit. Fühlt man sich so schön tiefgründig dabei, insbesondere, wenn der Pegel stimmt). Und selbst wenn man während dieser Zeit keine eigenen weltbewegenden Theorien aufgestellt hat, dann hat man doch zumeist wenigstens die von anderen als falsch identifizieren können; die anderen haben doch sowieso alle keine Ahnung und das Ausschlußprinzip rockt einfach. Klüger ist man hinterher zwar auch nur bedingt, zumindest nicht im Bezug darauf selbst erleuchtet, großartig und glücklich zu werden, aber man hat allemal ein bisschen auf anderen Unwissenden rumgehackt und kann sich doch eigentlich deswegen schon mal ein bisschen besser fühlen. Muss ja keiner wissen, dass man immer noch keine Ahnung hat.
Spätestens danach sollte man aber anfangen, sich tatsächlich eigene Gedanken zu machen. Tut man das nicht und guttenbergt sich raus sollte man sich vielleicht mal überlegen ob einem das wirklich so liegt, das über den Sinn des Lebens nachdenken, oder ob man nicht vielleicht doch lieber Lotto spielen geht. Aber das nur am Rande.
Fängt man also an sein eigenes Gedankengut auszuformulieren stellt man fest: gibt ganz schön viele Möglichkeiten, weswegen man so leben könnte. Hat man vielleicht auch schon vorher gemerkt, als man die anderen und die Bücher gefragt hat. Da wären zum Beispiel: 1)Geld. Ganz groß. Geht oftmals einher mit: 2)Karriere. Muss aber nicht. 3)Familie. Auch wichtig, wird aber mittlerweile häufiger mal von 2) resp. 1) oder beidem verdrängt. Dann könnte man noch so einiges aufzählen, wie beispielsweise Drogen, Wutbürgertum oder Schach spielen, aber das sind doch eher spezielle Gründe und schlecht zu verallgemeinern (wobei ich da beim Wutbürgertum unter Umständen eine Ausnahme machen würde, wenn ich mir als nebenjobgeplagter Student so den Einzelhandel anschaue). Karriere und Familie ist da aber schon massentauglicher.
Ja... und dann? Ist man veranlagt wie ich probiert man einfach alles aus, in der Hoffnung, damit einen Sinn zu finden. Solang man den Sinn nur nicht bei sich selbst suchen muss.
Dummerweise, und diese Meinung vertrete ich jetzt schon geraume Zeit, obwohl ich mich natürlich nicht daran halte, liegt er aber genau da. Bei einem selbst, wasn Scheiß, das heißt ja quasi, dass man selbst was tun muss, anstatt im Internet surfen und Kaffee trinken zur adäquaten Beschäftigung zu erheben und sich damit gut zu fühlen. Es heißt, schafft man es, einen Weg zu finden, der einen glücklich (oder sagen wir lieber zufrieden. Meine Einstellung zum Glücklichsein dürfte ja hinlänglich bekannt sein) macht, dann hat man wohl auch seinen persönlichen Sinn gefunden. Ob das jetzt Familie oder Geld oder Rotwein oder Hundezucht ist: egal. Jeder nach seiner Facon.
Dass dabei kein tiefschürfender Sinn mit jahrtausendelangem Weiterbestand und Aufnahme in die Geschichtsbücher rauskommt, sollte einem auch klar sein. Dass sich der individuelle Sinn manchmal auch ganz schön beschissen und nach echter Arbeit anfühlen kann, auch. Dass man was tun muss, um seine brillianten Theorien in die Tat umzusetzen- ja. Und so weiter.
Böse Zungen behaupten ja, das Leben habe keinen Sinn. Hat es als solches wohl auch nicht, stimmt. Aber man kann seinem Leben einen Sinn geben, und wenn es eben nur der ist, irgendwie damit (dem Leben) klar zu kommen und nicht verrückt zu werden, dann ist das eben so. Mehr zu erwarten ist wohl die reine menschliche Arroganz.

So. Nachdem wir uns jetzt kurz hochphilosophisch und mindestens genauso sinnlos wie koffeinfreier Kaffee über das Leben ergossen haben, widmen wir uns jetzt wieder der halbleeren Dose Bier nebst meinem Laptop, temporär auch ein ganz guter Sinn, wenn alle anderen gerade überlastet sind und keine Verbindung zustande kommt. Service temporarily unavailable, cheers!

Sonntag, 27. Mai 2012

Sprachloser Text ohne Worte


Heute sage ich gar nichts und bediene mich stattdessen der Worte eines anderen, weil es gerade einfach nicht geht, das selber Dinge sagen; meine Worte sind irgendwo zwischen früher und jetzt stecken geblieben und müssen erstmal alles realisieren, bevor sie sich wieder zu, ja, Wort melden. Außerdem ist so ein bisschen literarische Bildung ja nie ganz deplatziert, zumal mein Kopf schon weiß, was es zu sagen gilt, aber die Worte nun mal nicht wollen; und der gute Erich schafft das ganz hervorragend an deren Stelle, wie ich finde. Hier nun also fremder Federschmuck und als einzige konkrete Aussage meinerseits heute ein Danke, auch wenns nicht so ganz die acht Jahre waren- trotzdem.

Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wußten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

(Erich Kästner)


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Dienstag, 22. Mai 2012

Weiteratmen



Ein Sommergewitter, draußen im Garten und wohl auch sonst überall. Das dunkle Fenster, das sich in rhythmischen Abständen für den Bruchteil einer Sekunde in die blendend helle Negativzeichnung der Außenwelt verwandelt und in düsteren Bildern das Leben an der Oberfläche skizziert: windgepeitschte Bäume, deren dürre Zweige verzweifelt versuchen, vor dem Sturm zu fliehen und doch nur mitgerissen werden, hilflos und dünn. Fliegende Blätter, von der vorangegangenen Sommerhitze schwach und ausgedörrt und jetzt durch die gewalttätige Entladung der Selben in ein frühes Grab befördert; ein paar panische Runden auf dem wütenden Wind und hinein in den Matsch. Und Wasser. Überall Wasser, eine Flut von oben und keiner, der ihr entkommen kann.
Die Welt vor dem Fenster lässt ihrer Wut freien Lauf, schreit ihre Gedanken rücksichtslos ins Leben hinaus, sollen die anderen doch damit klar kommen.

Im Inneren wirkt alles still. Die Geräusche des Kriegs vor der Tür sind zwar gut zu hören; das Fenster steht offen, vereinzelte Wasserspritzer auf dem Fensterbrett, Windböen, die sich kalt in die eigenen Gedanken schieben und die Haare auf den Armen zornig die Fäuste heben lassen. Aber die Außenwelt mit all ihrer Theatralik und ihrem Lärm, ihren dramatischen Gesten und Wutausbrüchen unterstreicht nur den krassen Kontrast, hebt die Leere, das Schweigen im Inneren hervor.
Wir schweigen. Sind still. Schweigen still und leiden heimlich, wenn wir es denn tun.
Man wünscht sich, eins der Blätter zu sein, vom Sturm weggeweht zu werden, vom Winde verweht; auf Wiedersehen, es war sehr schön, aber jetzt ist es Zeit, zu gehen.
Und gleichzeitig wünscht man sich, bleiben zu können. Dem bekackten Gewitter den Finger zu zeigen.
Und dann kommt einem das verdammte Leben dazwischen und tut einfach, was es will. Und lässt einem keine Wahl, als mitzuziehen: der Platzregen kam und brach die Zweige ab, die zuvor noch so standhaft ihre Stellung gehalten hatten, wenngleich eine Zeit lang willenlos dem Wind ausgeliefert. Und jetzt trudeln sie wild mit den Blättern von einem Wirbel in den nächsten, stetig fallend, immer ein bisschen tiefer sinkend, bis sie schließlich auf dem Grund ankommen und einfach liegen bleiben. Keine Energie mehr.

Gewitter kommen und gehen, dazwischen sind sie laut und herrisch und lassen einem nicht viele Wahlmöglichkeiten, mit ihnen umzugehen: man schaut ihnen zu und wartet ab oder man schaut weg und wartet ab.
Und wenn man fertig gewartet hat, auf welche Art auch immer, wird es dunkel und still draußen. Die Stille aus dem Inneren wird zur Stille auf der Außenseite, alles ist ruhig. Das Fenster steht immer noch offen und prüfend blickt man hinaus ins Schwarz, in die Ruhe nach dem Sturm-
und wenn lange genug nichts mehr passiert ist, dann steht man auf und schließt das Fenster.
Und dann: weiteratmen.

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Samstag, 10. März 2012

Learning to fly

Pack deine Sachen und komm- denn heute ist der Tag, an dem wir fliehen werden.

Planeten stürzen auf die Erde und hüllen uns in Asche aus warmem Wachs- bist du Unrealist genug, als dass du die Welt auferstehen lassen kannst?
Sterne am Himmel, von weiter Ferne wirkt alles perfekt- ab und an den zweiten Blick, das Opernglas beiseite und das Risiko akzeptieren, das die Welt uns auferlegt hat-
Es tut mir leid, dir Dinosaurier auf die Terrasse gestellt zu haben, noch bevor es Tag wurde und lang bevor die Zeitung kam. Ich wollte es wäre alles Wein und Erbeeren- trotzdem, auch nachts sind Schäfchenwolken am Himmel, nur dunkler.

Dienstag, 14. Februar 2012

Happy Valentines!

Ich liege auf dem Boden. Die Musik, die laute, in meinen Ohren dröhnende und für niemanden außer mir hörbare Musik schreit in meinen Ohren. Vor meinem Fenster hat die Nacht die Oberhand gewonnen und die Welt verdunkelt, wie eine Decke, nicht warm, aber die Sicherheit der Ungesehnheit spendend. Vielleicht Trost spendend. Vielleicht.
Warum kannst du nicht sehen, warum könnt ihr nicht sehen, warum sieht niemand- kryptische Fragezeichen tauchen auf und hüllen uns in betretenes Schweigen. Warum kann keiner sagen, was nicht stimmt, warum sind wir alle so involviert in unsere eigenen Probleme, so einzig und allein in unserem eigenen Kopf, als dass mir keiner sagen kann, was verdammt noch mal nicht stimmt, wo die Abzweigung in die falsche Richtung und uns alle ins Verderben geführt hat?
Lange Stunden, voll von makellosem Nichts, nichts, dass ablenken würde von der Leere, der Neutralität, der absoluten.
Ich sitze in einem Vakuum.
Nichts erreicht mich, während ich die Welt betrachte. Mein Stützpunkt ist die Sicherheit meines leeren Ballons, kein Gedanke, kein Gefühl, kein Atem, der mich stört.
Ich frage mich, was alle tun? Was tut ihr alle? will ich rufen, aber ich kann nicht, keine Luft.
Ich sitze in einem Vakuum und ich frage mich, wie lange ich schon hier bin, und ob es allen so geht. Sitzt jeder in seiner luftleeren Blase und schaut dem Leben beim Wahnsinn zu?
Fühlen Sie sich leer, antriebslos, fehlt Ihnen die Motivation, ihr Leben so zu leben, wie die Gesellschaft es von Ihnen erwartet, nine to five, everyday, get up! Nimm am Leben teil! Sei vorbildlich, trage zu unserer schönen, gepflegten, Rasen-trimm-Dich Gesellschaft bei und sei verdammt nochmal NÜCHTERN dabei! Und glücklich! Und ERFOLGREICH!
Ja, Herr Doktor...
Erfolg! Wie good ol' Michael Moore einst schon sagte, das Wort hat sein eigenes Ausrufezichen. Erfolg!, statt Erfolg. Wie langweilig und unmodisch wäre es denn auch. Und da wir ja hipp und zeitgemäß sind müssen wir nun also Erfolg! haben; alle, ausnahmslos, selbst die, die eigentlich lieber in ihrer luftleeren Blase sitzen und dem Vakuum frönen würden. Erfolg!'s not for everyone. Erfolg schon.
Niemand rettet uns, nicht einmal Gott. Was sollte Gott auch tun? Wenn ich Gott wäre und sehen würde, was wir, die gloreiche Menschheit, die göttliche Spezies, die Herrscher der Erde, da mit uns und unseren Leben anstellen, dann würde ich auch resignieren und mir'n Bier holen. Fuck it.
Vakuum. Ich bin betrunken, aber trotzdem wird keiner kommen, mich in den Arm nehmen und sagen, dass doch alles gar nicht so schlimm ist. Natürlich nicht.
Als ich ein kleines Kind war bin ich mit meinen Eltern umgezogen. Kaum in der neuen "Stadt" angekommen, sind wir zu einem kleinen, erholsamen Spaziergang aufgebrochen, ich, fünf Jahre alt, meine Mutter, mein Vater. Keinen Kilometer sind wir weit gekommen, da stand groß und angeberisch in asymmetrisch gesprayten Buchstaben FUCK an der weißen, bis dato unbefleckten, perfekten Rasen-trimm-Dich Wand einer soliden Vorortgarage. Ich fragte meinen Vater, was das seltsame Wort heißen soll- und, um ganz ehrlich zu sein, ich weiß nicht mehr, was er genau geantwortet hat, aber mit Sicherheit nicht- Fuck, fick dieses Leben, fick die akkurat geschnittenen Rasenflächen, fick den Erfolg!, obwohl ich es ihm, aus heutiger Sicht, zutrauen würde. Nein, er sagte etwas kindgerechtes, etwas, das den Schein des SINNS aufrecht erhält, das mich davon abhalten sollte, schon mit fünf eine der tieferliegenden Wahrheiten übers Leben zu erfahren: FUCK. Alles, was in amerikanischen Filmen ausgeblendet und überspielt wird, zensiert! Fuck.
Und jetzt, 21 Jahre später, sitze ich hier und philosophiere über ein Vakuum. Über das allgemeine Nichts. Seit Jahren. Seit Jahren tue ich nichts anderes, habe ich den Eindruck. Hier sitzen, zu laute Musik hören, Vodka trinken und mir überlegen, was zur HÖLLE das eigentlich alles soll. Sieben Umzüge haben es mir nicht gesagt. "Diverse" Studienversuche auch nicht. Alkohol nicht. Sex nicht. Kunst? Vielleicht, an guten Tagen. Alle anderen Klischees- klar, natürlich. Nein, natürlich nicht. Sonst wärs ja fast schon kein Klischee mehr.
Schaut man eben, in aller Unersprießlichkeit aller seiner verdammten LUXUSprobleme, Serien. Streckenweise mit religiösem Eifer- zur Zeit Friends. Und ich überlege mir, warum haben diese sechs so verdammt fehlerfreie Leben? Warum haben sie immer Spaß, auch wenn sie nur Tag für Tag in irgendeinem lahmen Coffeehouse sitzen, um sich die gewieften und von tatsächlich bezahlten Autoren in Schweißarbeit ausgeabeiteten Dialoge um die Ohren zu werfen, von Gelächter und Musik untermalt, das ideale Leben, attraktiv, sociable, erfolgreich (da ist es wieder) ?
Nun. Unter Umständen, weil es eine Serie ist (und eine amerikanische noch dazu...).
Ja, lacht ruhig, Menschen wie ich brauchen zwei Jahrzehnte, um zu realisieren, dass uns dort, auf dem immer flacher, demnächst wird er konkav, werdenden Blidschirm nicht das Leben, sondern die gepimpte und von jeglichem Misston befreite und außerdem elegant zusammengeschnittene und musikalisch unterlegte Version von "Leben" gezeigt wird. Manch einer braucht seine Zeit, um festzustellen, das FUCK eben doch das ist, was eigentlich dominiert. Well, no one told you life was gonna be this way MY ASS.
Kontrolle:
Ich bin 21 Jahre älter als fünf und habe mittlerweile gemerkt, dass wir nicht hier sind, um den Gänseblümchen die Blüten auszureißen, um sie als kindliche Delikatesse zu uns zu nehmen, sondern dass wir die Gänseblümchen SIND (ich würde mir wirklich wünschen, hier eines Tages wieder KURSIV schreiben zu können).
Wir wachsen, arglos, um uns dann, so unangenehm und beschissen das auch sein mag, die Blüten auszupfen zu lassen. Und was können wir machen? Nichts.
Keiner weiß, wo wir falsch abgebogen sind oder zumindest will keiner mit seinem Wissen rausrücken und jetzt müssen wir mit den Konsequenzen zu Rande kommen- well, so be it.
Und trotzdem- ich betrachte das Leben und seinen Wahnsinn von hier aus, Valentinstag, Tag der Liebe und der ganze Schwachsinn, und ich frage mich:
WAS ZUR HÖLLE ?

Donnerstag, 19. Januar 2012

Prayer 1

Mein Herz schlägt laut und immer wieder,
Ich beobachte die Stille da draußen und
Den Lärm hier drin, zerbrochen
Vom Schlagen, vom Schlagen; gerochen
Habe ich schon lange nichts mehr.
Nicht Rauch, nicht Scheiße, kein Flieder.

Was sagen sie dir, wenn du zur Schule gehst-
Sie sagen, geh nicht mit Fremden, trödel nicht rum. Sie sagen, nimm keine Süßigkeiten, später sagen sie nimm keine Drogen, dann sagen sie nimm dein Leben unter die Lupe. Wir lieben sie, wir hassen sie- und das ist der Punkt, an dem das Porzellan springt, an dem das stinkende Dunkel auf den Asphalt tropft, an dem der Schein, der schöne, schöne Schein endet und das Leben anfängt.
Mein Herz schlägt, laut und herrisch, in meiner Brust, und nein, es ist nur eins. Ich liege auf der Seite, der linken, und höre, wie es mich von innen verprügelt, ruhelos; es schreit mich an: hier bin ich, hier bin ich, tu schon was.
Ich will doch nur schlafen.
Ich drehe mich auf die rechte Seite, leiseres Schlagen, Gnade der Anatomie. Meine Hand kribbelt, wächst meine Zunge wirklich oder redet sie mir das nur ein, hinterhältige Kollaborateurin meines verräterischen Herz?
Herzklopfen. Kein Rasen, nur Klopfen. Laut und vernehmlich ('Muss ich jetzt sterben?'). Ich drehe mich auf den Rücken und lege meinen kribbligen Arm hinter meinen Kopf.
Meine Augen sind geschlossen, aber meine Lider zucken nach oben. Es ist überall dunkel.
Ich winkle ein Bein an. Mein Herz beruhigt sich ('Gott sei Dank, ich muss nicht sterben.').
Mein Kopf liegt. Auf dem linken Ohr, auf dem rechten Ohr, auf dem Hinterkopf, auf dem Gesicht. Mein Kissen führt die "Widerspenstige Zähmung" auf, ich werde es an der Schauspielschule anmelden, sobald ich Zeit dafür habe, es hat wirklich außerordentliches Talent. Ich rolle mich zu einem Ball zusammen, ein Fötus, fest verschnürt von unablässigen Gedanken und verstreichender Zeit. Noch drei Stunden. Noch zwei Stunden. Noch eine. Morgen.
Mein Kopf ist so laut, so verdammt laut. Waren das Zeiten, als nur mein Herz geprügelt hat.
Mein Kopf schreit mich an, ich weiß nicht genau, worüber oder weswegen, aber ich bemühe mich, gewissenhaft zuzuhören, stundenlang, dem ausschweifenden, selbstverliebten und unablässigen Monolog meiner rastlosen Gedanken.
Ich kann nicht schlafen.
Manchmal ist es ein Murmeln, manchmal ist es ein Zug, ein lauter, rasender Zug voller Verrückter. Weit aufgerissene Augen, Haare wehen im Wind, Chai, Chai!
Ich kann nicht schlafen.
Ich stehe auf, ich laufe auf und laufe ab; ich gehe aufs Klo und trinke einen Schluck Wasser, sollte Vodka sein, hab ich keinen.
Ich schaue auf die Uhr, zum sechshundertfünften Mal in dieser Nacht, einer von vielen in einer endlosen Folge derer.
Ich bin müde habe Augenringe bin bleich und meine Haare sehen schrecklich aus, ich könnte duschen (Nein, du duschst jetzt nicht, morgens um vier). Ich könnte lesen.
Ich lese. Mein Kopf ist abgelenkt und kurzzeitig zufrieden (Beschäftigung!). Dann lege ich das Buch weg, lösche das Licht und lege mich auf die Seite, die linke. Ein-Aus-Ein-Aus.
[...]
Mein Herz schlägt laut und herrisch. Es schlägt mich von innen grün und blau, ein Schläger, ein hyperkinetisches Kind. Mein Kopf beginnt, zum anregenden, rhythmischen Klopfen zu singen. Mein Fuß zuckt. Ich will schreien.
Was sagen sie dir, wenn du zur Schule gehst-
Sie sagen, geh nicht mit Fremden, trödel nicht rum. Sie sagen, nimm keine Süßigkeiten, später sagen sie nimm keine Drogen, dann sagen sie nimm dein Leben in die Hand.
Bitte.
Ich liebe euch, aber ich kann nicht mehr denken.
(Insomnia.)

Samstag, 14. Januar 2012

Fool's paradise comes at a price that I am not prepared to pay ?

I've had recurring nightmares that I was loved for who I am
And missed the opportunity to be a better man.*

Task: define "irrational".




*Muse, Hoodoo

Montag, 9. Januar 2012

Gespräche mit einer Wand, Teil 3

Kürzlich hatte ich nach einer wahrlich nicht zu verachtenden Funkstille das erste Gespräch mit meiner Wand seit Jahren. Genau genommen war es nicht DIE Wand, sondern eine andere; diese ist aber nicht minder weiß, kalt und aufwärts gerichtet, schlägt den selben arrogant näselnden Ton an wie ihre österreichische Kollegin von vor einigen Jahren und erzählt, wie mir scheint, von nicht minder abwegigen Dingen wie ihre Vorgängerin. Zudem glaube ich, dass diese jetzige Wand unter nervösen Zuckungen leidet, zumindest hatte ich den eindringlichen Eindruck, sie würde unter meinem stechenden Blick (unsere Diskussion wurde recht hitzig nach einer Weile) respektive unter dem an sie gehängten Bild erzittern. Könnte man ihr, genau betrachtet, auch nicht verübeln; meine Begeisterung hielte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in recht eng bemessenen Grenzen, sollte jemand auf die bizarre Idee verfallen, einen Nagel in mich zu schlagen, um eine obskure, wenngleich brillante, Interpretation des letzten Abendmahls daran zu hängen. Andererseits wiederum bin ich auch keine Wand.
In jedem Fall lag ich in der nicht allzu weit zurückliegenden frühmorgendlichen Vergangenheit, ich schätze, es war gegen vier, halb fünf und die Sonne machte so absolut keine Anstalten, aufzugehen, wie sie das um diese Uhrzeit nur im Januar tun kann, in meinem beengten Bett und starrte ans Fußende des selbigen, aus Gründen, die nun nicht näher erläutert werden können, als ich in erschreckender Nähe plötzlich ein blasiertes Räuspern vernahm.
„Ähömm.“
Oh je, das ist jetzt also der Anfang vom Ende, körperloses Räuspern morgens um vier, kein gutes Omen, das sag ich dir. Nun denn. Es wiederholte sich.
„Ähömm!“ mit einigem Nachdruck und der Betonung auf der hinteren Silbe.
Kurz versuchte ich mich am rationalen Überlegen, was in aller Welt dieses Räuspern produziert haben könnte und beließ es auch schnell dabei. Man rufe es sich ins Gedächtnis, dass meine letzte Unterhaltung mit einer Wand fast drei Jahre zurücklag und in einem anderen Land stattgefunden hatte. Woher sollte ich denn in meinem übernächtigten Zustand wissen, dass die Wände auch hierzulande sprechen, obgleich sie recht wählerisch zu sein scheinen, was ihre Gesprächspartner anbelangt- in jedem Fall hatte ich in letzter Zeit nicht dazu gehört. Eine ausgesprochen angenehme Tatsache, wie mir hinterher wieder bewusst wurde, hatte ich über die Jahre doch scheinbar vergessen, was für ein ausnehmend anstrengendes und unerquickliches, kräftezehrendes und wenig zielführendes Unterfangen es war, mit einer Wand zu diskutieren, zumal morgens um vier.
„Ä-hömmm !“ dieses Mal begleitet von einem leichten Zittern zu meiner Linken (ich bin mir SICHER, dass sie sich bewegt hat). Ermattet von der Räusperei drehte ich also meinen Kopf zur Seite und starrte meine Wand an.
Ein weit verbreiteter Irrglaube unter denen, die noch nie in den fragwürdigen Genuss kamen, mit einer Wand zu reden, ist der, dass der Wand beim Sprechen plötzlich Augen wachsen oder sie einfach ein Paar, das sonst unter dem Putz, der Tapete oder sonstigem Gezier versteckt ist, offenbart. Dem ist nicht so. Des Weiteren bekommt die Wand auch keinen Mund, keine Nase, keine Ohren und mit Sicherheit keine Falten oder Pickel, keine schlecht gezupften Augenbrauen und in der Regel errötet sie auch nicht, sollte man sich denn ereifern und einen anzüglichen Kommentar über ihr Verhältnis mit der Deckenlampe machen. Und nein, mit meiner Deckenlampe habe ich mich noch nie unterhalten, obgleich es mit größter Wahrscheinlichkeit höchst interessant wäre, dies zu tun, starrt sie mich doch tagein, tagaus aus ihren großen, lidlosen Augen an, ohne den Blick abzuwenden; mir fiele tatsächlich spontan kein Szenarium ein, das meine offensichtlich voyeuristisch veranlagte Lampe je dazu bewegt hätte, wegzusehen. Wie dem auch sei, zurück zum Thema.
„Guten Abend“, vernahm ich da auf einmal eine leicht nasale Stimme, die scheinbar aus der Wand zu kommen schien. Und da, und nun verwende ich eine Redewendung, die ich im Grunde zutiefst verabscheue und die ich unter normalen Umständen niemals in den Mund geschweige denn aufs Papier nehmen würde, nur, um anmerken zu können, wie radikal ich sie ablehne, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Sammeln wir uns kurz und verarbeiten diese ungehörige Ausdrucksweise.
[…]
Gut. Wie gesagt, mir ging ein Licht auf, nicht, um die Lampe wieder auf die Bildfläche zu bringen, sondern, weil ich entdeckte, wer da mit mir sprach. Leider ist der Überraschungseffekt jetzt ein wenig minimiert, trotz allem war es meine Wand.
„Guten Abend“, grüßte ich zurück, setzte mich im Bett auf und schämte mich umgehend meiner knotigen Haare und meines wenig formschönen Schlafdresses.
„Ich würde gerne eine Anmerkung machen“, ließ die Wand verlauten.
„Ich höre.“ Mein Interesse war geweckt. Wie aufregend.
„Unter Umständen scheint dies jetzt nicht ganz angemessen, im Hinblick auf meine verachtete und im Wesentlichen komplett ignorierte Daseinsform, aber ich hätte trotz allem etwas zu sagen. Zwar bin ich nur eine Wand, aber dennoch habe ich ein Recht auf eine Meinung, eine, wohlgemerkt, kritische und anspruchsvolle Meinung.“
Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen leicht von oben herausfordernd an. Das heißt, natürlich tat sie es nicht wirklich, aber, hätte sie ein Gesicht gehabt an Stelle dieser kahlen, leeren Weiße und diesem einzigen, gewagten und dennoch bahnbrechenden Abbild des letzten Abendmahls, so hätte sie es getan. Mit Sicherheit.
„Ja..?“ Ich war verunsichert. Meine positive Aufregung drohte ins Gegenteil umzuschwingen; sollte es etwa sein, dass auch diese Wand ein eher launischer und, alles in allem, wenig vernünftiger Zeitgenosse war?
„Ich“, begann die Wand und räusperte sich kurz (‚Ähömm!‘), „würde gerne deklamieren, dass ich in Zukunft keinen, ich wiederhole: keinen, Wert darauf lege, in Reichweite irgendeiner der anderen Wände dieses Zimmers zu stehen.“ Sie zitterte. Ganz leicht.
„Ich. Ähm.“ Ich rieb mir über die Stirn und stellte fest, wie fettig diese war. Ich ignorierte es und rieb weiter, in der vagen Hoffnung, wenn ich nur lang genug riebe würde ich aufwachen und erleichtert feststellen, dass ich nur geträumt hatte. Bedauerlicherweise schien dem nicht so zu sein, sprach die Wand doch, obwohl ich lang und hingebungsvoll an meiner fettigen Stirn gerieben hatte, weiter:
„Ich distanziere mich von meinen ungehobelten Artgenossen, mit denen ich hier ungefragt und ungewollt gemeinsam stehen muss. Es ist eine Ungeheuerlichkeit wie wir Wände, verkannte architektonische Kreaturen von anmutiger Eleganz und ungeheuer ansprechender Statik, immer und immer wieder ungefragt zu Dingen gezwungen werden, die SO nicht in der Broschüre standen!“
„Broschüre - ?“
„Zudem würde ich gerne von diesem entwürdigenden Gehänge an meiner Vorderseite befreit und mit echter Kunst behangen werden.“
Ich staunte. Dann fing ich mich wieder.
„Du weißt doch gar nicht, was da an dir hängt“, schnappte ich zurück, in der Hoffnung, dass der Mangel an Sehorganen die Wand im Großen und Ganzen blind zurückließ.
„Aber sicher weiß ich, was da an mir hängt!“ Die Stimme meiner Wand schlug an die Decke ihres wie auch immer gearteten Klangkörpers, überschlug sich wie ein Haufen junger Hunde, denen nur ein Futternapf zur Verfügung gestellt worden war, die aber trotzdem alle als erster fressen wollen, und trat daraufhin ihre gepeinigte Reise zurück in die Tiefen ihrer normalen Tonlage an. Dann erholte sie sich ein bisschen.
Ich nutzte die Stille zu einer kürzeren Tirade darauf, wie wenig ich es begrüßte mitten in der Nacht von meiner Wand aus dem Schlaf gerissen zu werden (an dieser Stelle fand sie ihre Stimme wieder und bemerkte spitz, dass ich überhaupt nicht geschlafen, sondern ans Fußende meine Bettes gestarrt hatte, warum, würde wohl auf immer mein Geheimnis bleiben. Kühn ignorierte ich sie.) und dass ich in keinster Weise weder beabsichtigte, sie, meine Wand, meine feste, treue, senkrechte Wand, umzustellen und somit ein Loch in meiner Behausung zu erschaffen, noch dass ich gewillt war, meinen kostbaren Raumschmuck in Form des letzten Abendmahls abzuhängen, geschweige denn durch etwas anderes zu ersetzen. Sie schwieg. Ich war zufrieden mit mir.
Dann, zu meinem allergrößten Bedauern, holte meine Wand tief und gut hörbar Luft und schoß zurück.
Ich legte mich wieder hin und rieb mir nun statt der Stirn die Augen, beide gleichzeitig, mit einer Hand, während ich die andere hinter meinen mit knotigen Haaren dekorierten Kopf legte. Meine Wand redete sich in Rage und schwang eine geräuschvolle Rede über die Rechte einer Wand, selbst einer kleinen, weißen und nur äußerst erbärmlich geschmückten Wand (an dieser Stelle überlegte ich ernsthaft, einen Kommentar zum Geniestreich des neuinterpretierten Abendmahls einzuwerfen, ließ es aber nach reiflicher Überlegung bleiben), die zu allem Übel auch nur mit der undankbaren Aufgabe betraut war, einer nichtigen Person wie mir Schutz zu bieten und nicht etwa jemand anderem, egal wem, Hauptsache jemand, der nicht ich war und vorzugsweise viel Geld für echten Wandschmuck besaß.
Irgendwann hörte ich nichts mehr und öffnete letztlich widerwillig ein Auge und dann auch noch das Zweite; hätte ich gekonnt, hätte ich daraufhin vermutlich auch noch das Dritte geöffnet, was sich allerdings als ungleich schwieriger erwies als es das mit den beiden davor gewesen war.
Trotz mangelnder Augenpaare aber sah ich in diesem Moment recht deutlich meine Wand neben mir bedrohlich zittern und leichte Wellen schlagen; ich warf einen kurzen Blick auf meine nächtlich ausgeschaltete Lampe und hätte schwören können, dass sie auch zusah.
Die sonst so ruhige und tatsächlich ansprechend statische Mauer mit ihrem weißen Verputz und besagtem epochalen Kunstwerk neben mir wand sich geradezu, schweigend, zum Glück, dafür um so wendiger; wer hätte gedacht, dass ein derart in sich ruhendes Objekt wie eine Wand a)ein so hitziges Temperament an den Tag legen und b)sich so verbiegen könnte. Ich fühlte mich beinahe schon ein wenig unwohl auf meinem doch so direkt neben der Wand liegenden Nachtlager und zog es kurz in Erwägung, selbiges zu verlassen, aber da war es auch schon zu spät.
Ehe ich mich wieder aufsetzen, mich meiner Haare und meiner Kleidung schämen, an meiner fettigen Stirn reiben und schlußendlich aufstehen konnte, ehe ich auch nur dazu kam mir zu überlegen, ob es sich lohnen würde, in der Zwischenzeit, bis die Gefahrenzone umschifft war, auf die Toilette zu gehen, ehe irgend etwas davon geschehen konnte hatte die Wand schonen einen letzten, energischen Schwenk durch ihre Gesamtheit beschrieben und dabei mit ungehörigstem Nachdruck das an ihr hängende Meisterwerk der zwölf Jünger, Jesus, Magdalena und mit Sicherheit einiger kleinerer Insekten, eventuell Nagetiere und unter Umständen ein paar Auren Verstorbener, von sich und somit auf MICH geworfen. Darauf folgte ein leichtes Seufzen, ein wohliges Zittern und, endlich, Ruhe.

Ich gebe zu, ein wenig perplex war ich schon, als ich so das letzte Abendmahl auf meinem Schoß liegen sah. Trotz allem entschied ich mich recht schnell dafür, präventiv einfach nichts zu tun und zog schlafen ernsthaft in Erwägung. Alles in Allem schockiert einen ja doch eher nur noch wenig.