Dienstag, 30. Juli 2013

Ambivalenz II


Freunde der fetzigen Unterhaltungsmusik,

ja, ich gebe zu, wir haben das hier auch schon mal regelmäßiger gemacht. Und jetzt hat sie auch noch zwei davon! Tja, was ich mir dabei gedacht habe, weiß ich auch nicht so genau. Aber wie viele können schon von sich behaupten, zwei scheinlebendige Blogleichen im virtuellen Keller zu haben, hm? Seht ihr. Wenn man kein Vorbild sein kann, dann sollte man wenigstens ein abschreckendes Beispiel sein (das Motto so vieler Menschen dieser Erde ...).
Trotz allem dachte ich, ich puste mal wieder ein bisschen Zeug in den Äther, so wie andere Leute im Herbst heruntergefallenes Laub mit diesen ominösen Laubpustern in die Luft blasen: für nix und wieder nix. (Erwähnte ich eigentlich mal - so, in dem Zusammenhang jetzt - dass ich es sehr begrüßen würde, wenn der Sommer jetzt mal sein Bündel packen und gehen könnte? So, wieder paar Feinde gemacht, und das schon um halb eins! Sie übertreffen sich mal wieder selbst, Frau K.)
In jedem Fall erlebe ich in letzter Zeit glaube ich das erste Mal, seitdem ich aus dem fernen Indien heim (!) geflogen bin, wie es sich anfühlt, wenn man wo eigentlich nicht weg will. Oder, schon weg will, aber gleichzeitig eben auch nicht (-> http://nachtsimwald.blogspot.de/2011/07/ambivalenz.html - ich liebe es, mich selbst zu zitieren ...).
Konkreter: im September fliege ich nach Irland, und dann bleibe ich da erstmal für zehn Monate. Ziemlich geil, ja, find ich auch. Trotzdem komisch. Da zetert man wirklich zwei Jahre lang ununterbrochen über dieses unsere Dörflein, das sich da Tübingen nennt, und dann bekommt man endlich die Gelegenheit, quasi ganz legal, ohne mal wieder alle Brücken hinter sich abzubrechen, wegzugehen, und dann geht einem plötzlich der Arsch auf Grundeis. Das ist jetzt tatsächlich eine ziemlich neue Erfahrung für mich, habe ich umziehen und neu anfangen bisher doch immer nur mit rettender Flucht nach vorne assoziiert, und wäre nie im Leben auf die hanebüchene Idee verfallen vor sowas Angst zu haben. Leute, die ihr ganzes Studium in einer einzigen Stadt durchziehen, weil sie Schiss vor einem kompletten Neuanfang haben, auch wenn sie gerne wechseln würden? Pah! Hab ich nie verstehen können. Und obwohl ich in der jetzigen Situation immer noch absolut nicht gewillt bin, meinen Sorgen und dummseligen Befürchtungen Zugeständnisse zu machen, indem ich hier bleibe: langsam komm ich drauf, was so gespenstisch ist am Weggehen. Auch, wenn man wiederkommt.
Und ja, ich weiß. Wenn man mal da ist, ist alles halb so schlimm. Sobald meine Füße auf irish soil stehen, werde ich gar nicht mehr weg wollen. Da bin ich mir sogar ziemlich sicher, und vermutlich wird die Heimreise aus Irland ins possierliche Tübingen im kommenden Sommer nicht minder zittrig als die Hinreise jetzt. Aber so ist es eben, Leben ohne Anstrengungen, ohne Umwege und ohne Hindernisse, die es zu überwinden gilt, wäre ja auch nicht mehr wirklich Leben, oder? Wenn alles nur noch in ruhigen Bahnen plätschert und eigentlich alles getan ist, man nur noch wartet ... Man, ich hab Schiss vor der Rente. Okay, ich gebe zu, das ist jetzt wirklich noch kein Thema, über das ich mir Sorgen machen sollte.
Und so setzt man sich also in den Flieger und fliegt. Da können jetzt vorher die Hände schwitzen und die Nächte durchwacht sein, wie sie wollen - manche Dinge muss man tun, um zufrieden zu sein, glaube ich, auch wenn die einfache Lösung wäre, sie bleiben zu lassen. "Coming back to where you started is not the same as never leaving" - das sagt schon Terry Pratchett (dann muss es ja stimmen).
In diesem Sinne: let's have the craic! Die Leprechauns werden mich schon retten.
(Nein, die Iren sind nicht alle drauf wies Messer. Und "the craic" ist auch keine drogeninduzierte Addition der englischen Sprache im irischen Raum. Es ist einfach so.)

P.S.: Beißt ihr euch eigentlich auch so verdammt oft beim Essen auf die Backe? Manchmal glaube ich, ich hab zu wenig Kiefer für zu viel Zahn (wenn man meine Schneidezähne mal so anschaut, wie sie da in inniger Hingabe übereinander lappen, liege ich damit vermutlich gar nicht so falsch), oder einfach zu viel Backe. Hm.