Dienstag, 26. Februar 2013

Push it, push it real good.


Meine Lieben,

es ist soweit: das Semester hat ein Ende. Und damit war es auch echt überfällig, noch ein, zwei Tage mehr und ich hätte, wie der allerliebste Erzähler des Tell Tale Hearts, wahrscheinlich auch angefangen things in hell zu hören. Total knuddlig, der Junge.
In jedem Fall, meine letzte Prüfung für jetzt liegt seit drei Stunden hinter mir und der Stress der letzten Monate fällt im Zeitraffer von mir ab; das macht er sehr gut, der Kleine, hat sich ja jetzt auch wahrlich lange genug darauf gefreut. Und mit dem in Massen vom Himmel auf uns einballernden Schnee wird also auch das weggespült - endlich, endlich; Ruhe.
Ein bisschen Wahnsinn war das ganze Unterfangen ja schon. Zwar bin ich jetzt 40 ECTS näher an meinem Abschluss, aber auch um einige Nerven ärmer (Naturwissenschaftler, hört weg. Als Kind dachte ich wirklich, die "Nerven", um die ich meine Eltern so ausdauernd wie kompetent gebracht habe, wären kleine, feine Würmchen gewesen, die, an einem Ende festgewachsen, quasi wie kleine Miniaturtentakel, ihre Fühlerchen im Gehirn erwachsener Menschen in die hirnige Suppe strecken und bei Stressbelastung eins nach dem anderen das Zeitliche segnen. Traurige Vorstellung, das; ich sympathisiere schon wieder mit a)seelenlosen b)nicht existierenden Dingen. Geht euch das auch so? Mit unbelebten Gegenständen kann ich das auch gut. Entschuldige mich bei kaputten Tassen oder uralten und dem Grab geweihten Schuhen, die ich wegschmeißen will. Ich meine, wer weiß?! Es ist zum Verrücktwerden. Aber - die Nerven. Wenn ich heute von Nerven spreche assoziiere ich das ganze schon eher mit mentalen Zuständen. Aber irgendwo ganz tief drinnen ist die Vorstellung von kleinen Würmchen geblieben.).
Gut. Also, beschleunigter Studienabschluss durch Nerventod, soweit sogut. Um jetzt aber aufs Titelthema zu kommen: Grenzen.
An die nähert man sich doch ab und zu erschreckend nahe an, gelegentlich überschreitet man sie auch. Das hat dann so oder so ähnliche Folgen: plötzliche Heulanfälle ohne konkreten Grund, schwer nachzuvollziehende und abrupte Stimmungsschwankungen, unruhiger Schlaf, das vage Gefühl, dass irgendwie eh alles für den Arsch ist und ähnliche Annehmlichkeiten. Ja. Sehr aufbauend sowas. Das sind dann natürlich die letzten Ausläufer vor dem finalen psychischen Abkacken - wenn das länger so geht oder noch darüber hinaus sollte man sich vielleicht doch Gedanken machen, ob man nicht vielleicht ein winziges bisschen übertreibt in dem, was man sich so aufbürdet; beschränken sich solche Reaktionen aber auf eine Woche, dann, finde ich, gehts noch.
Jaa, sag ich jetzt. Hättet ihr mich vor zwei Tagen gefragt, dann wär ich wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen und hätte euch ein paar Theorietexte um die Ohren gehauen. Jetzt aber, nachdem der Stress ja so bildlich von mir gewaschen wurde, denke ich nur: es ist vorbei und ich lebe noch; so schlimm wars doch gar nicht...
Werden Grenzen überschritten, wehrt sich der Körper. Körperlich wie geistig. Das ist dann weder schön noch selten, sondern einfach nur scheiße. Aber, wenn man dann geschafft hat, was es zu schaffen galt, soweit über seine Grenze hinaus ist, dass das Gummiseil der Vernunft, das einen unweigerlich früher oder später wieder zurück schnallen lässt, zum Zerreißen gespannt ist (das ist jetzt eine interessante Metapher. Wenn besagtes Seil dann tatsächlich reißt, sind wir dann verrückt? Oder haben wir dann einfach nur keine Grenzen mehr, weil uns nichts mehr davon abhält, von einer Seite auf die andere zu wechseln? Oder geht beides miteinander Hand in Hand?) und dann endlich, Zong!, hinter einem wegschnappt und mitnimmt, zurück in die Comfort Zone, dann ist man irgendwie größer. Hat die Grenze, über die man sich so mühselig mit dem straffen Seil im Rücken hinweg gequält hat, ein bisschen weiter vom Ausgangspunkt weggeschoben, hat die Comfort Zone vergrößert. Kurzum: man hat sich ein kleines bisschen resistenter gemacht. Und fängt beim nächsten Stress vielleicht ein, zwei Tage später an, unkontrolliert zu heulen und mit Büchern zu werfen.
Das finde ich, ist es dann auch irgendwie wert. Natürlich lege ich momentan keinen gesteigerten Wert darauf, das jetzt gleich zu wiederholen, man muss es ja auch nicht übertreiben, tolle Metaphorik hin oder her, son Burnout braucht man dann doch nicht. Aber die Erfahrung, wie viel eigentlich geht, wie weit man sich pushen kann, die ist doch gar nicht schlecht. Grenzen sind da, um überschritten zu werden.

Wie aber auch immer. Meine Grenzen sind betrachtet, befühlt, überschritten und ein Stück hinter mir gelassen worden in den letzten vier Monaten, allen voran alles seit ungefähr Januar. Jetzt ist es aber vorbei, mein Seil ist zurückgezuckt und ich bin wieder mitten in meiner Komfortzone (oder auch, wie das gloreiche dict.cc so schön übersetzt, "Behaglichkeitszone"), ohne größere Sorgen, Deadlines, fiese Menschen, die einen bewerten; nur Bücher, Kino und die gelegentliche Flasche Wein. Äh, oder so.

However. Cheers!

PS: Und es ist schon absurd, ne, heute hatte ich ne mündliche Literatur Prüfung. Viele, viele Texte dafür gelesen. Viele. Was hab ich mir danach zur Belohnung gekauft? N Buch. Schräg ist noch gar kein Ausdruck.