Donnerstag, 25. Oktober 2012

Shenanigans.


Ich sitze auf einer Treppe vor der Kirche und versuche über den Straßenlärm hinweg dem Organisten zuzuhören. Ein riesiger Köter biegt um die Ecke und starrt mich aus großen, runden Augen in einem Kopf von der Größe eines Medizinballs an - erst auf den zweiten Blick sehe ich die Leine, an der der Köter seinen Besitzer nach sich zieht. Immerhin. Mein erster verräterischer Blick muss all meinen Schrecken über die unerwartete Konfrontation mit dem Hund der Baskervilles freigelegt haben, der Besitzer lächelt mich milde an, der tut nix. Der will nur spielen. Haben sie das von King Kong nicht auch gesagt? Keine Ahnung. Will nur spielen, okay. Dann geht er weiter, der Hund, und zieht sein lächelndes Herrchen nach sich, komm, Mensch. Mensch, komm doch endlich.
Alle anderen tun es ihm gleich, Passanten und Passäntchen. Gehen an mir vorbei und gucken vielleicht kurz, aber dann gehen sie weiter, alle von ihnen, irgendwohin, nach hause, in die Kneipe, ins Kino. Ins Kino will ich auch, später.
Ein Roller fährt vorbei und bohrt seinen durchdringenden Klang in die durch die dicken Kirchenmauern ohnehin dumpfe Orgelmusik. Der Wind weht mir die Haare ins Gesicht und sie bleiben auf meinen Lippen kleben, auf halbfeuchten, halbtrockenen Lippen, ein paar Haare, rote.
Wo der Köter von eben jetzt wohl ist und wie viele Mitmenschen er auf dem Weg dorthin noch erschreckt hat?
An der Straßenecke kurbelt eine blonde Frau Anfang fünfzig die Markise vor ihrem Laden nach oben; Zeit, abzuschließen, nach hause zu gehen. Nach hause, noch eine. Ich will immer noch ins Kino.
Vereinzelte, mollige Harmonien dringen durch die schwere Holztür. Es ist schön hier zu sitzen, die Passanten ziehen vorbei und die Musik trägt meine eckige Stimmung mit sich heraus, heraus aus meinem kleinen Quadratmeter Welt. Hier fühlt es sich gut an, okay. Das Leben, auf meinem Meter auf dem Meter auf dem Meter, Kubikmeter statt Quadrat. Mein Kubikmeter Leben, mit allen Menschen und Hunden und noch dazu in Moll. Vielrohrige Tongebilde, die von innen gegen das alte Gemäuer stoßen und sich eisern gegen den Metall aus dem schwarzen Auto an der Ampel wehren; Musik, die für den Bruchteil einer Sekunde in meiner Welt ist und dann nicht mehr. Genau wie der Hund und sein Besitzer, die blonde Frau und alle anderen. Kurz schieben sie ihre Fühler in mein Leben, dann ziehen sie weiter und lassen nichts zurück außer einen schalen Nachgeschmack, war da was? Immer ein bisschen mehr. Sammelsurium.
Wo sie hinwollen? Nach hause, in die Kneipe?
Keine Ahnung. Ich -  ich will ins Kino.

PS: Oxymoron. Jetzt haben wir auch ein Stilmittel.

Good nite.