Dienstag, 25. Januar 2011

Der Schwarze Schwan

Grazil gleitet die Schwanenprinzessin zur sanften Musik Tschaikowskys über das leichte Wellengekräusel der Theaterbühne, das Tutu wippt ein bisschen, die Bewegungen sind vollendet harmonisch und die Klänge, zu denen sie tanzt, sind auch eher catchy.
Soviel zur angenehmen Theorie.
Die praktische Umsetzung dieses Films, den man so leichthin 'Ballettfilm' nennt und dabei vermutlich zunächst an Obiges denkt, ist schlichtweg brutal.
Das sanfte Gleiten der Ballerina ist solange sanft, bis man sie, fernab von glitzernden Bühnen und jubelnden Mengen, spätabends verzweifelt üben sieht, bis die Knochen knacken. Bis man den gequälten Schmerz in ihren Augen sieht, wenn sie wieder und wieder und wieder versucht, gut zu sein, es besser zu machen als alle anderen, versucht, alle zufrieden zu stellen, ihre Mutter, ihren Choreographen; wenn sie, die sich so sehr, so unglaublich nach der einen Rolle verzehrt hat, diese endlich bekommt, glaubt, durch all die harte Arbeit nun dort angekommen zu sein, wo sie dies alles endlich erreicht hat- zufriedenstellend zu sein, besser zu sein, vielleicht endlich, endlich gut genug zu sein- und von diesem einen, fadenscheinig glücklichen Moment an nur noch fällt, tiefer und immer tiefer in die dunkle, beängstigende Welt ihrer düsteren, sich hinter der Bühne langsam zur wahnsinnigen Übermacht erhebenden Psychose.
'Black Swan' ist kein Film, den man sich einfach so ansieht. Denn, trotz einiger vielleicht fragwürdiger Szenen, dieses neue Glanzstück Darren Aronofskys zieht einen mit hinein in den abgründigen Strudel des Irrsinns, in die von Wahnvorstellungen, sexueller und emotionaler Unterdrückung und krankhaftem Perfektionismus bis ans körperlich kaum mehr Erträgliche geprägte Welt der Primaballerina Nina Sayers. Und, wie schon in 'Requiem for a Dream', Schmerzgrenzen scheinen für den Regisseur lediglich eine Markierung der Linie zu sein, die es zu überschreiten gilt. Immer und immer wieder. Bis der Zuschauer schockiert seinen Blick von der Leinwand abwendet und es dennoch nicht verhindern kann, aus dem Augenwinkel den zu Anfang subtilen und, im Ballettmillieu, irgendwie natürlich wirkenden, gen Ende sich jedoch aufbäumenden, wild lachenden, um sich schlagenden und nichts und niemanden verschonenden Grausamkeiten zuzusehen, wie sie die zarte, fragile und unschuldige Hauptprotagonistin in eine dunkle Kreatur verwandeln- in die verführerische Odile, die schwarze Schwanenkönigin; das negative Abbild Odettes, der weißen, guten und unschuldigen Schwanenprinzessin.
Auf der Bühne wie im Leben, die Metamorphose ist perfekt. Nina ist, einen Augenblick lang, perfekt. Und dann- ist es vorbei. Alles.

Dieser perfekt ausgeleuchtete Psychoterror, der sich dort vor unseren Augen abspielt, mag zwar an einigen Stellen ein wenig überzogen sein.
Im Großen und Ganzen jedoch hinterlässt der Film eine tiefe, beängstigende Aufgewühltheit- nachdem wir zwei Stunden lang mitgelitten haben, gespürt haben, wie die Angst in uns aufsteigt, als die andere unseren Part getanzt hat, gespürt haben, wie unsere ohnehin labile Psyche endgültig zu zerfallen beginnt und gespürt haben, wie erregend im wahrsten Sinne des Wortes und doch so schrecklich zugleich es ist, die alten Fesseln abzuwerfen, nur, um sich sofort ins nächste Verderben zu stürzen; uns bleibt nichts anderes übrig, als unangenehm die Hände knetend, zitternd und gebannt auf die Leinwand zu starren, während die letzten, quälenden 30 Minuten an unseren Nerven reißen als hinge ihr Leben davon ab, uns bleibt nichts anderes übrig als den Atem anzuhalten und so sehr zu hoffen, dass das, was sich dort vor unseren weit aufgerissenen Augen abspielt nicht noch schlimmer wird, dass es beinahe weh tut, uns bleibt nichts anderes übrig, als HINZUSEHEN, so grausam es auch sein mag, und diesen Menschen zu bewundern, der diesen Ausschnitt des Wahnsinns so faszinierend auf die Leinwand gebracht hat, dass wir uns nichts sehnlicher wünschen, als dass es endlich vorbei sein möge und gleichzeitig hoffen, es würde noch stundenlang weitergehen.
Uns bleibt nichts anderes übrig als den Hut zu ziehen und uns bodentief zu verneigen vor so viel Film- und Schauspielkunst.
Und uns bleibt nichts anderes übrig, als auf dem Heimweg in der dunklen Straße hinter uns zu schauen-
ob nicht vielleicht wir selbst hinter uns stehen.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Oh Wunderwelt der Technik

Ganz, ganz toll. Wirklich ganz großes Tennis hier.
Manchmal frage ich mich ja, Isa, frage ich, woher kommt nur diese tiefe, unerschütterliche Begeisterung für die Technik dieser Erde, insbesondere die mitreißende Faszination im Bezug auf diese Wahnsinnsmaschinen, denen vor nicht allzulanger Zeit noch prophezeit wurde, in der verheißungsvollen Zukunft (also: jetzt) nur in ca. 5facher Ausführung auf diesem Planeten zu existieren, ganze Zimmer einzunehmen und so hochleistungsfähig zu sein, dass es diverse Kunstschaffende dazu animiert hat, utopische Fiktionen ihrer Übermacht zu erschaffen, wir erinnern uns an '42', 'HAL' und andere genialistische Ejakulationen kreativen Überschusses.
Woher rührt nur diese innige Verbundenheit, diese warme, optimistische, ja, quasi völlig endorphinüberladene Liebe, die ich zum PC, dem Personal Computer, mit all seinen kleinen, undurchschaubaren Spielereien empfinde.
Ist es die ungeheure Verlässlichkeit, die diese kleinen (wir erinnern uns: Zimmergröße war ein klein wenig daneben geschätzt) Wunderbomben an den Tag legen, wenn sie wieder einmal 7-12 Minuten brauchen, um alle Anwendungen zu laden und einsatzbereit zu sein? Oder die sie vermitteln, wenn sie zum wiederholten Male mitten in einer wichtigen Sitzung kurzerhand beschließen es sei Zeit für eine kleine, pubertäre Regression einschließlich Trotzphase mit integrierter Arbeitsverweigerung?
Vielleicht ist es auch in der Einfachkeit der Handhabung begründet, die Einfachkeit, die die ganze überwältigende Schönheit des Wunders ausmacht und die sich immer dann zeigt, wenn es darauf ankommt, die lang trainierten und gut eingeübten Pfade zu verlassen (Internet, Word ) und sich der weiten Wildniss des Unerforschten zuzuwenden; wie der Suche nach grundlegenden Einstellungen, die das Leben erschweren, oder Programmrudimenten, die durch die Eingeweide des PCs geistern und ihn unangenehme, sozusagen intestinale Gase in Form von lästigen Fehlermeldungen ausstoßen lassen- ja, in derartigen Extremsituationen bin ich immer wieder begeistert von der simplen Bedienung meines Computers; derart begeistert, dass sich meine Freude schon des öfteren in unkontrollierten Wutausbrüchen manifestierte, in denen ich mich nur unter Zuhilfenahme starker Sedative davon abhalten konnte, meinen guten, flachen, zusammenklappbaren Freund aus dem Fenster zu werfen und eventuell hinterherzuspringen.
Es könnte aber auch an der grundlegenden einwandfreihen Funktion seinerseits inklusive der Kooperation mit an ihn gekoppelten Geräten liegen, weswegen meine treue Ergebenheit sich immer wieder ins Unermessliche schraubt. Wem geht nicht das Herz auf, wenn der Drucker seinen Dienst quittiert und erwartet, neu installiert zu werden, da scheinbar die exzentrische Persönlichkeit des Personal Computers mit der des Druckers nicht mehr klar kam.
Und wen rührt es nicht zu Tränen, wenn der Computer der Wahl sein musikalisches Talent entdeckt und sich einige Tage lang an den verschiedenen, herzerwärmenden Tonlagen eines mittelgroßen Rasenmähers versucht. Oder beschließt, diverse unwichtige Programme (Internetbrowser etc.) kurzerhand auszusortieren und für nicht mehr funktionell zu erklären, einem dafür zu Beginn einer jeden Sitzung pflichtbewusst mitteilt, dass die Spracherkennung nicht gestartet werden kann, da kein Mikrophon angeschlossen wurde. Wer verspürt da nicht den herzlichen, innigen und kaum zu unterdrückenden Drang, den PC fest und mehrfach gegen die Wand zu schlagen. Wer nicht.
Wenn ich mich also frage, Isa, frage ich mich, woher kommt sie, diese unfassbare Zuneigung zu all diesen herrlichen Dingen- dann lächle ich entspannt in mich hinein und versuche, nicht auzurasten. Würde ich meinen PC aus dem Fenster werfen, hätte ich ein Problem (würde ich hinterherspringen mit ein bisschen Glück zwar dann nicht mehr, aber dank dem vunderbaren Valium sind wir so weit bislang noch nicht gekommen). Würde ich ihn gegen die Wand schlagen, auch. Und wahrscheinlich will ER mich auch gelegentlich gegen diverse Dinge kloppen, ist mir diesbezüglich aber eindeutig unterlegen.
Wenn ich also meditativ in mich gehen und mir ernsthaft überlegen würde, wohin wir denn da kämen, wenn mein guter alter Wilfried hier vorzeitig abträte oder ähnliche Sperenzchen an den Tag legte, mir graut. Soll er doch zicken, dann zick ich eben zurück. Immerhin kooperieren wir sonst ganz gut, meistens.
Was jetzt nicht heißen soll, dass das Internet nicht der Untergang von UNS ALLEN sein wird ! !

Und in der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit allzu gesprächigen Boilern, die zu tief über dem Waschbecken hängen, sowie alles vereisenden Kühlschränken.
And that's how the cookie crumbles!

Samstag, 15. Januar 2011

If the world's not gonna remember you-

-it was all a waste of time. 'Cause what happens in the world is all that matters.

Der radikale Wandel desjenigen, der nicht mehr er selbst sein will. Der sich fragt, ob er sein Leben auf die richtige Art und Weise lebt. Der sich und sein ganzes Dasein in Frage stellt. Der festgestellt hat, dass es so nicht weitergehen kann und alles anders machen will.
Die dokumentarische Aufzeichnung des tiefen Falls von einem, der alles hat und es dennoch anders haben will, der dafür scheinbar alles aufzugeben bereit ist, sein erfolgreiches Leben, das als einengend empfunden wird, seine engsten Freunde, denen misstraut wird, seine geistige Gesundheit, die sich zu verabschieden scheint...
"I'm still here" ist ein großartiges, filmisches Meisterstück, das einen aufsaugt und bis zum bitteren Ende nicht mehr losläßt. Man sieht dabei zu, wie Joaquin Phoenix ketterauchend, Kokain aus dem Versteck im stets getragenen Sonnenbrillengestell schnupfend, bärtig, haarig und im großen und ganzen ein wenig aus dem Leim gegangen durch sein Leben nuschelt, seine Schasupielkarriere an den Nagel hängt und sich dem Hip-Hop zuwendet. Und dabei auf ganzer Länge versagt...
Der Film ist streckenweise lustig. Allerdings auf eine ein schlechtes Gewissen produzierende Art und Weise, da die meisten humorvollen Momente auf Kosten Joaquin Phoenix' gehen.
Je weiter man aber über den Zenit des Films hinausgeht, desto mehr tut es weh, dem Geschehen auf der Leinwand zuzusehen. Man leidet unglaublich mit diesem Wesen dort vorne, das einst die Oskarnominierungen sammelte und nun scheinbar den Verstand zu verlieren droht, zerbrochen am eigenen Ruhm, getrieben und unglücklich bis ins Knochenmark. Das sich hinter seinem Vollbart versteckt, die Kippe schief im Mundwinkel hängen hat und seinen engsten Vertrauten derartige Beleidigungen an den Kopf wirft, dass sich einem die Frage aufdrängt: wen hasst du so sehr, dich oder ihn?
Zutiefst demütigende öffentliche Auftritte, die einem die Tränen in die Augen treiben, zusammen mit dem verzweifelten Hauptprotagonisten, I've fucked up my fucking life, dude, und wir fühlen mit dir, wir können gar nicht anders.
Dieser Film ist großartiges Kino, ist Kunst, die ihresgleichen sucht.
Das Bedürfnis, Großes zu tun, sich selbst so präzise zu definieren, dass man ganz man selbst ist, oder zumindest von der Welt dafür gehalten wird, nur, um auf einmal ALLES zu zerstören, in dem Glauben, es würde schon richtig sein. Die Panik, die aufsteigt, wenn man merkt, dass dem nicht so ist.
Und, letztendlich, die Frage:

Ist das jetzt alles wirklich so, oder einfach eine geniale Mockumentary?

Im Grunde ist es doch aber auch egal. Ob Joaquin Phoenix, oder auch JP..., nun wirklich zugrunde geht oder nicht. Das heißt, nein, natürlich ist es das nicht. Dieser bärtige Mann, der uns dort gezeigt wird, ist so zerstört, so verletzlich, dass es einem das Herz bricht. Während quälende Szenen gezeigt werden, in denen das ganze letzte Selbstvertrauen eines erwachsenen Mannes durch eine simple Frage P Diddy's zunichte gemacht wird, oder der ehemals gefeierte Superstar bei Letterman seine Würde zusammen mit dem ausgespuckten Kaugummi unter den Tisch klebt, wünschen wir uns NICHTS AUF DER WELT mehr, als dass die Dokumentation eben dies nicht ist, eine Darstellung realer Tatsachen.
Doch selbst wenn es so wäre- er wäre nicht der Erste, der fällt. Und im Großen und Ganzen vermittelt der Film, was auch immer er tatsächlich vermitteln will; den Untergang des Stars, die Verrücktheiten einer vom Ruhm gezeichneten Welt, die Art, auf die Joaquin Phoenix' Haare verkleben, nachdem er sie drei Wochen nicht gewaschen hat- was auch immer die exakte, subtil von den Machern erdachte Message dieser Glanzleistung sein mag, sei es nun echt oder nicht- vom bloßen Ansehen kann man nicht unterscheiden und verneigt sich innerlich vor der unglaublichen Leistung, die einem dort gezeigt wird.
Schauspieler versetzen sich weit hinein in ihre Rollen, um sie glaubhaft zu verkörpern. Aber so tief, so unbedingt und kompromisslos, dass die Rolle, die das eigene Leben zeigt, wenn auch auf verquere Weise, zur tatsächlichen Realität wird? Oder ist die Realität, die der Welt gezeigt wird, gar nicht die wahre Realität? Wie unterscheidet man als Schauspieler, wenn einen bereits alle Welt für übergeschnappt hält? Ist man vielleicht übergeschnappt? Ist vielleicht doch alles real? Wenn nicht, wie bleibt man in der Rolle? Wie, zur Hölle, fällt man nicht aus seiner Rolle, wenn ganz Amerika zusieht und das einzige, das man denkt, eventuell folgendes ist: was mache ich, wenn mich nach diesem Stunt tatsächlich keiner mehr haben will ?

Der Film gibt darauf keine Antwort; und in dem Moment ist es auch völlig egal. Der Mann auf der Leinwand ist am Ende und wir sind es mit ihm- und letztendlich zählt auch nur eins; zumindest vorläufig, bis wir wieder neue Kraft geschöpft haben, um unglaublich zu werden und unsere Spuren auf der Welt zu hinterlassen: ob wir nun gut oder schlecht sind, das Richtige getan haben oder nicht, uns auf dem Gipfel oder am Boden des Abgrunds befinden:

I'm still here, through all these years- I'm still real-
Bitch.

Und am Ende der Vorstellung applaudierte der ganze Saal.

Sonntag, 2. Januar 2011

One more time

Draußen sinken vereinzelte Schneeflocken leidenschaftslos zu Boden. In den meisten Haushalten packen die weiblichen Angehörigen ein Arsenal der diversen Diätgurus aus, die diese unsere Welt da so zu bieten hat. Im Fernsehen laufen ausschließlich Filme, die mindestens 15 Jahre alt sind und die auch damals schon niemanden interessiert haben. Die Bildungswütigen unter uns realisieren, dass jetzt definitiv die Ausreden ausgehen, weswegen nicht gelernt werden kann und die übrigen kotzen sich einfach so an. Denn, oh treue Freunde des alkoholisierten Schwankes auf schwingenden Böden, es ist Neujahr.
Jedes Jahr aufs neue wird uns diese perfide Hinterhältigkeit reingedrückt- man arbeitet gefühlte Monate auf diese zwei Tage hin, die sich da Weihnachten und Silvester nennen, und bumm, sind sie vorbei. Aber anstatt dann ein bisschen Verschnaufpause zu haben, um zu akzeptieren, dass das alter Jahr passé ist, sich zum sterben in eine dunkle Höhle verzogen hat und abgetreten ist, den Löffel abgegeben hat, die Radieschen von unten anschaut, ja, quasi ein Ex-Jahr ist- stattdessen müssen wir uns gleich mit einem neuen rumärgern. Mit einem neuen, schrecklich jungen, motivierten und idealistischen Jahr, das uns versucht einzureden, dass dieses Mal alles anders, alles besser wird, dass wir mehr Geld haben und die Liebe unseres Lebens finden werden und endlich dem konsequent verstopften Abfluss im Badezimmer den Stinkefinger zeigen können.
Jedes Jahr das Gleiche. Dabei fühlt man sich doch in den ersten Tagen nach Silvester eigentlich ganz anders, zwischen dem ersten und dem vierten Januar zumindest, in etwa. In diesen paar ersten Freshmen Tagen des neuen, hibbelig auf und ab wippenden Jahres wird einem bewusst, dass die Zeit vergeht, EGAL was man tut, selbst, wenn man immer noch nicht großartig geworden ist. Immer noch Zweifel hat. Und immer noch nicht so ganz genau weiß, wer man eigentlich ist, ob man lieber in Heidelberg oder Manhattan leben will und wieso man sich das alles eigentlich überhaupt antut, die Sache mit dem Leben und der Selbstfindung. Im Großen und Ganzen herrscht in den ersten Tagen nach Silvester ein posttraumatischer Ausnahmezustand; wir werden ohne gefragt zu werden von einem Jahr zum nächsten geschubst, obwohl die Laune doch mehr nach Anhalten und mal drüber nachdenken ist, bevor man gleich wieder mit den über die Feiertage erfolgreich verdrängten Pflichten des drögen und und debil grinsenden Alltags bedrängt wird. In gewisser Hinsicht ist Silvester da wie Geburtstag haben.
In jedem Fall aber geht es Anfang Januar eher schleppend voran; nicht mal die Schneeflocken haben die Muse, vernünftig zu fallen, und die Sache mit den Diätgurus, liebe Damen der Schöpfung, wird doch eh nix, nur, weil gerade Neujahr ist. Genauso hört man nicht leichter auf zu rauchen und fängt an mehr Sport zu machen, schafft es nicht mehr zu vergessen, die Katze zu füttern oder schreibt endlich einen langgehegten, zumeist in Gedanken, Roman fertig, nur weil es gerade zufällig der erste Monat des Jahres ist. Und trotzdem nehmen wir uns immer wieder Dinge vor, die DIESES Jahr ganz sicher klappen werden. Denn irgendwie, neben sämtlichen Verpflichtungen, die wieder auf uns eindröhnen und uns nicht in Ruhe lassen wollen, bringt das neue Jahr doch auch ein gewisses Gefühl des Generalablasses. Gut, 2010 hat mich nicht großartig gemacht- nehmen wir eben 2011. Und sobald die ersten, schwierigen Tage nach der Geburt des Jahres vorbei sind, fühlen wir uns ja auch ganz gut damit und lassen uns von der hektischen, verstrahlten Begeisterung mitreisen, die das frische Jahr verströmt. Denn, ist sämtlicher Alkohol der Neujahrsnacht erst einmal abgebaut, der erste Schock über den Rückzug ins echte Leben verarbeitet und ein vager Plan gefasst, dann fühlt es sich doch eigentlich ganz gut an, der theoretische Neuanfang, der uns vom Januar vorgegaukelt wird.
Und schön wars ja doch auch, oder? 2010, meine ich. Bedeutend erfolgreicher und im allgemeinen sinniger als 2009, zumindest in meiner Welt. Es gab wenig zu bereuen, nicht mal die Neujahrsnacht gab Anlass (vgl.2009...), nur vielleicht ein kleines bisschen, aber eher wegen Dingen, die NICHT getan wurden. Na, wir haben ja schon ein neues Jahr, da kann man das ja nachholen-
Abschließend lässt sich sagen: das Gehirnzellenmassaker von 2010 hat stattgefunden! Und nun: One more time...