Mittwoch, 27. Januar 2010

Hollywood calling

Hallo Deutschland,

weißt du, was dein Problem ist? Du bist so fantasiebegabt wie ein Waschbecken und so einfallsreich wie meine Kaffeetasse. Ach, was red ich, schlimmer, wie meine leere Kaffeetasse. Und weißt du auch, was das Allerschlimmste ist? Du merkst es nicht... Und lässt deine Filmemacher weiterhin entsetzlich betroffene und nach 65 Jahren immernoch krankhaft schuldbewusste Filme drehen und findest dich dabei auch noch gut und bewundernswert, denn JA! wir haben eine grausame Geschichte, doch NEIN! wir verleugnen sie nicht, nein, wir quälen seit ungefähr Anbeginn der Zeit jeglichen Schüler in diesem erstaunlich reich bevölkerten Land mit der ach so ergreifenden Problematik des Nationalsozialismus, und wehe, es kommt ein deutscher Film in deutsche Kinos, in dem nicht mindestens dreimal das Wort "drittes" mit dem Wort "Reich" in einem Satz vorkommt- welch Ketzerei, man kann doch nicht einfach mal Filme zur schieren Unterhaltung drehen, wo käme man denn dahin! Schließlich hat man doch eine Last zu tragen, man hat doch dafür zu büßen, dass vor drei Generationen ein großer Idiot einem Haufen anderer Idioten aufdoktriniert hat, Juden seien doof, und die anderen Idioten dem großen Idiot auch noch geglaubt haben.
So. Jetzt komme ich also gerade aus dem Kino. Einem schönen, altmodischen Kino, übrigens, ein bisschen wie das aus "Inglorious Basterds" (ja, ich weiß, und nochn Nazifilm- aber Tarantino stand wenigstens nicht am Set und hat sich für seinen Großvater geschämt (vermute ich zumindest), sondern hat wahrscheinlich eher von Frauenschuhen geträumt und nebenbei einen großartigen Film gemacht. Mal abgesehen von Til Schweiger vielleicht, der den Film in etwa so sehr bereichert hat wie- ach verdammt, mir fällt kein Vergleich ein. Na, eben gar nicht. Diane Kruger übrigens auch nicht. Was mich wieder zur unkreativen Fantasielosigkeit der Deutschen zurückbringt...).
Wie dem auch sei, ich war im Kino, in "Das Kabinett des Doktor Parnassus" (wie bereits irgendwann mal angekündigt). Ein insgesamt gelungener Film, wenn auch ein Quentchen weniger gut, als ich mir erhofft hatte- trotz allem sehr sehenswert und alles in allem in einem Wort zusammenzufassen: bizarr.
Und jetzt sitze ich also hier und überlege, was es eigentlich ist, was die Deutschen davon abhält, derartige Filme zu machen. Schöne, vielleicht auch durchaus zum Nachdenken anregende, fantasievolle, dunkelbunte, durchdachte Filme mit guter Handlung, guten Dialogen, guten Schauspielern. Natürlich, ruft es jetzt entrüstet aus den hinteren Reihen, da, wo die sitzen, die sich gerade erst das Making Of von "Der Untergang" heruntergeladen haben, die Budgets sind einfach viel kleiner. Ja, darüber bin ich mir bewusst, in Deutschland kann keiner schnell mal 100 Millionen Euro für einen einzelnen Film ausgeben, in Amerika schon. Aber trotzdem- selbst wenn die Deutschen das Budget hätten, würde wirklich etwas anderes dabei rauskommen als das 507te Remake vom Holocaust? Und die Alternative, eine in neunstellige Summen gehende Rosamunde Pilcher Produktion wäre eigentlich auch niemandem zuzumuten.
Aber wir haben das Budget nun mal nicht. Wahrscheinlich alles für die 3705te Gedenkstätte der Opfer des zweiten Weltkriegs draufgegangen. Ich verspreche hiermit, wenn ich in diesem Leben auch nur einen einzigen Deutschen treffe, der ernsthaft (!! damit meine ich: überzeugt ahnungslos, freut euch nicht zu früh) fragt "Ach, dieser Hitler, wer war das nochmal?", dann laufe ich mittags nackt und laut schreiend vom Kuhdamm ausgehend die komplette Linie der Berliner Mauer ab. Übrigens noch son Ding, von dem wir besessen scheinen. Die Mauer. Aber damit wollen wir jetzt gar nicht erst anfangen.
Also, zurück zum Thema. Das liebe Geld sitzt dem guten Deutschen für fragwürdige Dinge wie Filmproduktionen eben weniger locker. Den Franzosen tuts das übrigens auch nicht- und trotzdem schafft es unser nettes Nachbarland, uns in der Qualität ihrer Produktionen locker zu überbieten. Und zwar nicht nur mit einhundertunddrei verschiedenen Versionen von Napoleons Unterwerfung der Welt oder ähnlichem Blödsinn. Und die Engländer scheinen sowieso nicht so versessen auf den großen Ernst des Lebens zu sein, immerhin haben sie, außer der wunderlichen Vorstellung eines 'Continental Breakfast', Genies wie die Mitglieder von Monty Python, Sasha Baron Cohen (auch bekannt als Borat oder AliG oder Brüno oder...), Hugh Laurie, Dylan Moran und so weiter. Und wen haben wir? Mario Barth.
Alles in allem scheint die Situation in unserem wunderbar bodenständigen Land also nicht sonderlich rosig zu sein für Menschen wie mich, die, seit sie alt genug waren, um bewusst fernzusehen und dabei irgendwann zu bemerken UND es auch wirklich zu glauben, dass die Menschen im Fernsehen nicht auf magische Weise verkleinert hinter dem Bildschirm sitzen, eigentlich doch auch irgendwie echt gern beim Film gearbeitet hätten. Es sei denn, man erklärt sich dazu bereit, sich mindestens vier Jahre im Rahmen einer guten, soliden und handfesten Schauspielausbildung durch hunderte Stunden Bühnenfechten und atiquarische Tänze zu quälen, um sich, so man denn sein sogenanntes "Diplom" in Schauspiel in den geschundenen Händen hält, erstmal in eine ebenfalls antiquarische Uniform zu werfen und vor laufender Kamera den wohl bekannten Gruß zu praktizieren. Es sei denn natürlich, man ist weiblich, dann darf man die zurückgelassene und natürlich unendlich unglückliche, aber ebenso braune Gattin spielen. Vielleicht hat man aber auch Glück und darf auf die andere Seite, dann hat man vor erstgenannten zu kuschen wie man es sonst nur vor der deutschen Filmindustrie tut, indem man sich ins Nazikorsett zwängen lässt. Sämtliche andere, des Filmeschauens mächtige Länder dieser Welt müssen uns für die verrücktesten Wesen unter der Sonne halten, die sich seit mehr als einem halben Jahrhundert mit scheinbar nichts anderem beschäftigen können als ihren eigenen Fehlern. Wobei 'eigene' vielleicht das falsche Wort ist, zumindest kann ich mich nicht daran erninnern, jemals einem Angehörigen des jüdischen Glaubens irgendetwas zuleide getan zu haben. Dabei habe ich doch schon so einige kennengelernt, und ratet mal, ich bin nicht von einem einzigen je mit "oh, aus Deutschland? Hey, vielleicht hat dein Opa ja meinen Opa umgebracht!" begrüßt worden.
Und um kurz zur Schauspielausbildung zurückzukommen: gut, solide und handfest. Gutes deutsches Handwerk. Ja, ohne Ausbildung ist es nichts mit der Kunst in deutschen Landen, denn wer soll denn auch schon ohne jahrelange Anleitung wissen, was ein Schauspieler zu tun hat. Oder ein Maler. Oder ein Schriftsteller. Nein, in Deutschland wird alles institutionalisiert, komme was wolle, immerhin sind wir ja immernoch in Deutschland. Und was würden die Deutschen nur ohne ihre Regeln tun. Nebenbei bemerkt haben viele der weltweit bekanntesten Schauspieler nie eine Schauspielschule von Innen gesehen- aber das nur nebenbei. (Und nein, ich bin kein frustrierter, da vergeblicher, Bewerber der diversen Schauspielschulen dieses Landes. Ich bin nur ein Kritiker, ein einsamer, kleiner Kritiker...)
Und nun ein kleiner Kunstgriff, um meine Argumentation nicht wie eine verbitterte Hasstirade auf mein Heimatland aussehen zu lassen: es gibt durchaus gute deutsche Filme. Angeblich soll es sogar welche geben, die sich nicht mit Hitler auseinandersetzen...
Nein, im Ernst. Es gibt ein paar Gute. Zwar glänzen wir nicht mit den tollsten Schauspielern dieser Erde (vielleicht auch ein Grund, warum Frankreich, Spanien und selbst Holland es schaffen, einige ihrer Leute nach Hollywood zu exportieren, während alles, womit wir aufwarten können, eine eindimensionale Diane Kruger ist), aber dennoch gibt es ein paar sehenswerte Streifen. Aber trotz allem fehlt selbst diesen einfach der wahre Witz, der Charme, die Pointen sind vielleicht einen Lacher wert, die Schockmomente sinds vielleicht auch, als Fazit kann ich aber trotzdem nur sagen: alles, was in Deutschland produziert wird und wurde, ist und bleibt nunmal deutsch. Alles irgendwie tragisch und anrührend, und wenns mal kein Drama sein darf, dann ist es eine platte Komödie. Und die Ausnahmen dieser Regel sind sehr, sehr rar gesäht...
In diesem Sinne: ich sage nicht, mir nie wieder einen deutschen Film anzuschauen! Ich sage auch nicht, dass es nicht vielleicht deutsche Filme gibt, die tatsächlich gut sind und die mir in meiner außerdeutschen Fixierung entgangen sind! Ich sage nur, dass ich mir einen amerikanischen Film anschaue, der zwar gut, aber nicht extrem gut ist in meinen Augen, und ihn dennoch als weitaus besser empfinde, als das Allermeiste, was der einheimische Markt zu bieten hat.

Damit wünsche ich allen einen baldigen Kinobesuch des Films eurer Wahl (Empfehlung noch kurz an dieser Stelle: 'Männer, die Ziegen anstarren' und 'Sherlock Holmes', Neuauflage. Keine Garantie, da beide noch nicht laufen, aber die Trailer versprechen Großartiges!) und eine wunderbare Nachtruhe.

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