Samstag, 10. März 2012

Learning to fly

Pack deine Sachen und komm- denn heute ist der Tag, an dem wir fliehen werden.

Planeten stürzen auf die Erde und hüllen uns in Asche aus warmem Wachs- bist du Unrealist genug, als dass du die Welt auferstehen lassen kannst?
Sterne am Himmel, von weiter Ferne wirkt alles perfekt- ab und an den zweiten Blick, das Opernglas beiseite und das Risiko akzeptieren, das die Welt uns auferlegt hat-
Es tut mir leid, dir Dinosaurier auf die Terrasse gestellt zu haben, noch bevor es Tag wurde und lang bevor die Zeitung kam. Ich wollte es wäre alles Wein und Erbeeren- trotzdem, auch nachts sind Schäfchenwolken am Himmel, nur dunkler.

Dienstag, 14. Februar 2012

Happy Valentines!

Ich liege auf dem Boden. Die Musik, die laute, in meinen Ohren dröhnende und für niemanden außer mir hörbare Musik schreit in meinen Ohren. Vor meinem Fenster hat die Nacht die Oberhand gewonnen und die Welt verdunkelt, wie eine Decke, nicht warm, aber die Sicherheit der Ungesehnheit spendend. Vielleicht Trost spendend. Vielleicht.
Warum kannst du nicht sehen, warum könnt ihr nicht sehen, warum sieht niemand- kryptische Fragezeichen tauchen auf und hüllen uns in betretenes Schweigen. Warum kann keiner sagen, was nicht stimmt, warum sind wir alle so involviert in unsere eigenen Probleme, so einzig und allein in unserem eigenen Kopf, als dass mir keiner sagen kann, was verdammt noch mal nicht stimmt, wo die Abzweigung in die falsche Richtung und uns alle ins Verderben geführt hat?
Lange Stunden, voll von makellosem Nichts, nichts, dass ablenken würde von der Leere, der Neutralität, der absoluten.
Ich sitze in einem Vakuum.
Nichts erreicht mich, während ich die Welt betrachte. Mein Stützpunkt ist die Sicherheit meines leeren Ballons, kein Gedanke, kein Gefühl, kein Atem, der mich stört.
Ich frage mich, was alle tun? Was tut ihr alle? will ich rufen, aber ich kann nicht, keine Luft.
Ich sitze in einem Vakuum und ich frage mich, wie lange ich schon hier bin, und ob es allen so geht. Sitzt jeder in seiner luftleeren Blase und schaut dem Leben beim Wahnsinn zu?
Fühlen Sie sich leer, antriebslos, fehlt Ihnen die Motivation, ihr Leben so zu leben, wie die Gesellschaft es von Ihnen erwartet, nine to five, everyday, get up! Nimm am Leben teil! Sei vorbildlich, trage zu unserer schönen, gepflegten, Rasen-trimm-Dich Gesellschaft bei und sei verdammt nochmal NÜCHTERN dabei! Und glücklich! Und ERFOLGREICH!
Ja, Herr Doktor...
Erfolg! Wie good ol' Michael Moore einst schon sagte, das Wort hat sein eigenes Ausrufezichen. Erfolg!, statt Erfolg. Wie langweilig und unmodisch wäre es denn auch. Und da wir ja hipp und zeitgemäß sind müssen wir nun also Erfolg! haben; alle, ausnahmslos, selbst die, die eigentlich lieber in ihrer luftleeren Blase sitzen und dem Vakuum frönen würden. Erfolg!'s not for everyone. Erfolg schon.
Niemand rettet uns, nicht einmal Gott. Was sollte Gott auch tun? Wenn ich Gott wäre und sehen würde, was wir, die gloreiche Menschheit, die göttliche Spezies, die Herrscher der Erde, da mit uns und unseren Leben anstellen, dann würde ich auch resignieren und mir'n Bier holen. Fuck it.
Vakuum. Ich bin betrunken, aber trotzdem wird keiner kommen, mich in den Arm nehmen und sagen, dass doch alles gar nicht so schlimm ist. Natürlich nicht.
Als ich ein kleines Kind war bin ich mit meinen Eltern umgezogen. Kaum in der neuen "Stadt" angekommen, sind wir zu einem kleinen, erholsamen Spaziergang aufgebrochen, ich, fünf Jahre alt, meine Mutter, mein Vater. Keinen Kilometer sind wir weit gekommen, da stand groß und angeberisch in asymmetrisch gesprayten Buchstaben FUCK an der weißen, bis dato unbefleckten, perfekten Rasen-trimm-Dich Wand einer soliden Vorortgarage. Ich fragte meinen Vater, was das seltsame Wort heißen soll- und, um ganz ehrlich zu sein, ich weiß nicht mehr, was er genau geantwortet hat, aber mit Sicherheit nicht- Fuck, fick dieses Leben, fick die akkurat geschnittenen Rasenflächen, fick den Erfolg!, obwohl ich es ihm, aus heutiger Sicht, zutrauen würde. Nein, er sagte etwas kindgerechtes, etwas, das den Schein des SINNS aufrecht erhält, das mich davon abhalten sollte, schon mit fünf eine der tieferliegenden Wahrheiten übers Leben zu erfahren: FUCK. Alles, was in amerikanischen Filmen ausgeblendet und überspielt wird, zensiert! Fuck.
Und jetzt, 21 Jahre später, sitze ich hier und philosophiere über ein Vakuum. Über das allgemeine Nichts. Seit Jahren. Seit Jahren tue ich nichts anderes, habe ich den Eindruck. Hier sitzen, zu laute Musik hören, Vodka trinken und mir überlegen, was zur HÖLLE das eigentlich alles soll. Sieben Umzüge haben es mir nicht gesagt. "Diverse" Studienversuche auch nicht. Alkohol nicht. Sex nicht. Kunst? Vielleicht, an guten Tagen. Alle anderen Klischees- klar, natürlich. Nein, natürlich nicht. Sonst wärs ja fast schon kein Klischee mehr.
Schaut man eben, in aller Unersprießlichkeit aller seiner verdammten LUXUSprobleme, Serien. Streckenweise mit religiösem Eifer- zur Zeit Friends. Und ich überlege mir, warum haben diese sechs so verdammt fehlerfreie Leben? Warum haben sie immer Spaß, auch wenn sie nur Tag für Tag in irgendeinem lahmen Coffeehouse sitzen, um sich die gewieften und von tatsächlich bezahlten Autoren in Schweißarbeit ausgeabeiteten Dialoge um die Ohren zu werfen, von Gelächter und Musik untermalt, das ideale Leben, attraktiv, sociable, erfolgreich (da ist es wieder) ?
Nun. Unter Umständen, weil es eine Serie ist (und eine amerikanische noch dazu...).
Ja, lacht ruhig, Menschen wie ich brauchen zwei Jahrzehnte, um zu realisieren, dass uns dort, auf dem immer flacher, demnächst wird er konkav, werdenden Blidschirm nicht das Leben, sondern die gepimpte und von jeglichem Misston befreite und außerdem elegant zusammengeschnittene und musikalisch unterlegte Version von "Leben" gezeigt wird. Manch einer braucht seine Zeit, um festzustellen, das FUCK eben doch das ist, was eigentlich dominiert. Well, no one told you life was gonna be this way MY ASS.
Kontrolle:
Ich bin 21 Jahre älter als fünf und habe mittlerweile gemerkt, dass wir nicht hier sind, um den Gänseblümchen die Blüten auszureißen, um sie als kindliche Delikatesse zu uns zu nehmen, sondern dass wir die Gänseblümchen SIND (ich würde mir wirklich wünschen, hier eines Tages wieder KURSIV schreiben zu können).
Wir wachsen, arglos, um uns dann, so unangenehm und beschissen das auch sein mag, die Blüten auszupfen zu lassen. Und was können wir machen? Nichts.
Keiner weiß, wo wir falsch abgebogen sind oder zumindest will keiner mit seinem Wissen rausrücken und jetzt müssen wir mit den Konsequenzen zu Rande kommen- well, so be it.
Und trotzdem- ich betrachte das Leben und seinen Wahnsinn von hier aus, Valentinstag, Tag der Liebe und der ganze Schwachsinn, und ich frage mich:
WAS ZUR HÖLLE ?

Donnerstag, 19. Januar 2012

Prayer 1

Mein Herz schlägt laut und immer wieder,
Ich beobachte die Stille da draußen und
Den Lärm hier drin, zerbrochen
Vom Schlagen, vom Schlagen; gerochen
Habe ich schon lange nichts mehr.
Nicht Rauch, nicht Scheiße, kein Flieder.

Was sagen sie dir, wenn du zur Schule gehst-
Sie sagen, geh nicht mit Fremden, trödel nicht rum. Sie sagen, nimm keine Süßigkeiten, später sagen sie nimm keine Drogen, dann sagen sie nimm dein Leben unter die Lupe. Wir lieben sie, wir hassen sie- und das ist der Punkt, an dem das Porzellan springt, an dem das stinkende Dunkel auf den Asphalt tropft, an dem der Schein, der schöne, schöne Schein endet und das Leben anfängt.
Mein Herz schlägt, laut und herrisch, in meiner Brust, und nein, es ist nur eins. Ich liege auf der Seite, der linken, und höre, wie es mich von innen verprügelt, ruhelos; es schreit mich an: hier bin ich, hier bin ich, tu schon was.
Ich will doch nur schlafen.
Ich drehe mich auf die rechte Seite, leiseres Schlagen, Gnade der Anatomie. Meine Hand kribbelt, wächst meine Zunge wirklich oder redet sie mir das nur ein, hinterhältige Kollaborateurin meines verräterischen Herz?
Herzklopfen. Kein Rasen, nur Klopfen. Laut und vernehmlich ('Muss ich jetzt sterben?'). Ich drehe mich auf den Rücken und lege meinen kribbligen Arm hinter meinen Kopf.
Meine Augen sind geschlossen, aber meine Lider zucken nach oben. Es ist überall dunkel.
Ich winkle ein Bein an. Mein Herz beruhigt sich ('Gott sei Dank, ich muss nicht sterben.').
Mein Kopf liegt. Auf dem linken Ohr, auf dem rechten Ohr, auf dem Hinterkopf, auf dem Gesicht. Mein Kissen führt die "Widerspenstige Zähmung" auf, ich werde es an der Schauspielschule anmelden, sobald ich Zeit dafür habe, es hat wirklich außerordentliches Talent. Ich rolle mich zu einem Ball zusammen, ein Fötus, fest verschnürt von unablässigen Gedanken und verstreichender Zeit. Noch drei Stunden. Noch zwei Stunden. Noch eine. Morgen.
Mein Kopf ist so laut, so verdammt laut. Waren das Zeiten, als nur mein Herz geprügelt hat.
Mein Kopf schreit mich an, ich weiß nicht genau, worüber oder weswegen, aber ich bemühe mich, gewissenhaft zuzuhören, stundenlang, dem ausschweifenden, selbstverliebten und unablässigen Monolog meiner rastlosen Gedanken.
Ich kann nicht schlafen.
Manchmal ist es ein Murmeln, manchmal ist es ein Zug, ein lauter, rasender Zug voller Verrückter. Weit aufgerissene Augen, Haare wehen im Wind, Chai, Chai!
Ich kann nicht schlafen.
Ich stehe auf, ich laufe auf und laufe ab; ich gehe aufs Klo und trinke einen Schluck Wasser, sollte Vodka sein, hab ich keinen.
Ich schaue auf die Uhr, zum sechshundertfünften Mal in dieser Nacht, einer von vielen in einer endlosen Folge derer.
Ich bin müde habe Augenringe bin bleich und meine Haare sehen schrecklich aus, ich könnte duschen (Nein, du duschst jetzt nicht, morgens um vier). Ich könnte lesen.
Ich lese. Mein Kopf ist abgelenkt und kurzzeitig zufrieden (Beschäftigung!). Dann lege ich das Buch weg, lösche das Licht und lege mich auf die Seite, die linke. Ein-Aus-Ein-Aus.
[...]
Mein Herz schlägt laut und herrisch. Es schlägt mich von innen grün und blau, ein Schläger, ein hyperkinetisches Kind. Mein Kopf beginnt, zum anregenden, rhythmischen Klopfen zu singen. Mein Fuß zuckt. Ich will schreien.
Was sagen sie dir, wenn du zur Schule gehst-
Sie sagen, geh nicht mit Fremden, trödel nicht rum. Sie sagen, nimm keine Süßigkeiten, später sagen sie nimm keine Drogen, dann sagen sie nimm dein Leben in die Hand.
Bitte.
Ich liebe euch, aber ich kann nicht mehr denken.
(Insomnia.)

Samstag, 14. Januar 2012

Fool's paradise comes at a price that I am not prepared to pay ?

I've had recurring nightmares that I was loved for who I am
And missed the opportunity to be a better man.*

Task: define "irrational".




*Muse, Hoodoo

Montag, 9. Januar 2012

Gespräche mit einer Wand, Teil 3

Kürzlich hatte ich nach einer wahrlich nicht zu verachtenden Funkstille das erste Gespräch mit meiner Wand seit Jahren. Genau genommen war es nicht DIE Wand, sondern eine andere; diese ist aber nicht minder weiß, kalt und aufwärts gerichtet, schlägt den selben arrogant näselnden Ton an wie ihre österreichische Kollegin von vor einigen Jahren und erzählt, wie mir scheint, von nicht minder abwegigen Dingen wie ihre Vorgängerin. Zudem glaube ich, dass diese jetzige Wand unter nervösen Zuckungen leidet, zumindest hatte ich den eindringlichen Eindruck, sie würde unter meinem stechenden Blick (unsere Diskussion wurde recht hitzig nach einer Weile) respektive unter dem an sie gehängten Bild erzittern. Könnte man ihr, genau betrachtet, auch nicht verübeln; meine Begeisterung hielte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in recht eng bemessenen Grenzen, sollte jemand auf die bizarre Idee verfallen, einen Nagel in mich zu schlagen, um eine obskure, wenngleich brillante, Interpretation des letzten Abendmahls daran zu hängen. Andererseits wiederum bin ich auch keine Wand.
In jedem Fall lag ich in der nicht allzu weit zurückliegenden frühmorgendlichen Vergangenheit, ich schätze, es war gegen vier, halb fünf und die Sonne machte so absolut keine Anstalten, aufzugehen, wie sie das um diese Uhrzeit nur im Januar tun kann, in meinem beengten Bett und starrte ans Fußende des selbigen, aus Gründen, die nun nicht näher erläutert werden können, als ich in erschreckender Nähe plötzlich ein blasiertes Räuspern vernahm.
„Ähömm.“
Oh je, das ist jetzt also der Anfang vom Ende, körperloses Räuspern morgens um vier, kein gutes Omen, das sag ich dir. Nun denn. Es wiederholte sich.
„Ähömm!“ mit einigem Nachdruck und der Betonung auf der hinteren Silbe.
Kurz versuchte ich mich am rationalen Überlegen, was in aller Welt dieses Räuspern produziert haben könnte und beließ es auch schnell dabei. Man rufe es sich ins Gedächtnis, dass meine letzte Unterhaltung mit einer Wand fast drei Jahre zurücklag und in einem anderen Land stattgefunden hatte. Woher sollte ich denn in meinem übernächtigten Zustand wissen, dass die Wände auch hierzulande sprechen, obgleich sie recht wählerisch zu sein scheinen, was ihre Gesprächspartner anbelangt- in jedem Fall hatte ich in letzter Zeit nicht dazu gehört. Eine ausgesprochen angenehme Tatsache, wie mir hinterher wieder bewusst wurde, hatte ich über die Jahre doch scheinbar vergessen, was für ein ausnehmend anstrengendes und unerquickliches, kräftezehrendes und wenig zielführendes Unterfangen es war, mit einer Wand zu diskutieren, zumal morgens um vier.
„Ä-hömmm !“ dieses Mal begleitet von einem leichten Zittern zu meiner Linken (ich bin mir SICHER, dass sie sich bewegt hat). Ermattet von der Räusperei drehte ich also meinen Kopf zur Seite und starrte meine Wand an.
Ein weit verbreiteter Irrglaube unter denen, die noch nie in den fragwürdigen Genuss kamen, mit einer Wand zu reden, ist der, dass der Wand beim Sprechen plötzlich Augen wachsen oder sie einfach ein Paar, das sonst unter dem Putz, der Tapete oder sonstigem Gezier versteckt ist, offenbart. Dem ist nicht so. Des Weiteren bekommt die Wand auch keinen Mund, keine Nase, keine Ohren und mit Sicherheit keine Falten oder Pickel, keine schlecht gezupften Augenbrauen und in der Regel errötet sie auch nicht, sollte man sich denn ereifern und einen anzüglichen Kommentar über ihr Verhältnis mit der Deckenlampe machen. Und nein, mit meiner Deckenlampe habe ich mich noch nie unterhalten, obgleich es mit größter Wahrscheinlichkeit höchst interessant wäre, dies zu tun, starrt sie mich doch tagein, tagaus aus ihren großen, lidlosen Augen an, ohne den Blick abzuwenden; mir fiele tatsächlich spontan kein Szenarium ein, das meine offensichtlich voyeuristisch veranlagte Lampe je dazu bewegt hätte, wegzusehen. Wie dem auch sei, zurück zum Thema.
„Guten Abend“, vernahm ich da auf einmal eine leicht nasale Stimme, die scheinbar aus der Wand zu kommen schien. Und da, und nun verwende ich eine Redewendung, die ich im Grunde zutiefst verabscheue und die ich unter normalen Umständen niemals in den Mund geschweige denn aufs Papier nehmen würde, nur, um anmerken zu können, wie radikal ich sie ablehne, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Sammeln wir uns kurz und verarbeiten diese ungehörige Ausdrucksweise.
[…]
Gut. Wie gesagt, mir ging ein Licht auf, nicht, um die Lampe wieder auf die Bildfläche zu bringen, sondern, weil ich entdeckte, wer da mit mir sprach. Leider ist der Überraschungseffekt jetzt ein wenig minimiert, trotz allem war es meine Wand.
„Guten Abend“, grüßte ich zurück, setzte mich im Bett auf und schämte mich umgehend meiner knotigen Haare und meines wenig formschönen Schlafdresses.
„Ich würde gerne eine Anmerkung machen“, ließ die Wand verlauten.
„Ich höre.“ Mein Interesse war geweckt. Wie aufregend.
„Unter Umständen scheint dies jetzt nicht ganz angemessen, im Hinblick auf meine verachtete und im Wesentlichen komplett ignorierte Daseinsform, aber ich hätte trotz allem etwas zu sagen. Zwar bin ich nur eine Wand, aber dennoch habe ich ein Recht auf eine Meinung, eine, wohlgemerkt, kritische und anspruchsvolle Meinung.“
Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen leicht von oben herausfordernd an. Das heißt, natürlich tat sie es nicht wirklich, aber, hätte sie ein Gesicht gehabt an Stelle dieser kahlen, leeren Weiße und diesem einzigen, gewagten und dennoch bahnbrechenden Abbild des letzten Abendmahls, so hätte sie es getan. Mit Sicherheit.
„Ja..?“ Ich war verunsichert. Meine positive Aufregung drohte ins Gegenteil umzuschwingen; sollte es etwa sein, dass auch diese Wand ein eher launischer und, alles in allem, wenig vernünftiger Zeitgenosse war?
„Ich“, begann die Wand und räusperte sich kurz (‚Ähömm!‘), „würde gerne deklamieren, dass ich in Zukunft keinen, ich wiederhole: keinen, Wert darauf lege, in Reichweite irgendeiner der anderen Wände dieses Zimmers zu stehen.“ Sie zitterte. Ganz leicht.
„Ich. Ähm.“ Ich rieb mir über die Stirn und stellte fest, wie fettig diese war. Ich ignorierte es und rieb weiter, in der vagen Hoffnung, wenn ich nur lang genug riebe würde ich aufwachen und erleichtert feststellen, dass ich nur geträumt hatte. Bedauerlicherweise schien dem nicht so zu sein, sprach die Wand doch, obwohl ich lang und hingebungsvoll an meiner fettigen Stirn gerieben hatte, weiter:
„Ich distanziere mich von meinen ungehobelten Artgenossen, mit denen ich hier ungefragt und ungewollt gemeinsam stehen muss. Es ist eine Ungeheuerlichkeit wie wir Wände, verkannte architektonische Kreaturen von anmutiger Eleganz und ungeheuer ansprechender Statik, immer und immer wieder ungefragt zu Dingen gezwungen werden, die SO nicht in der Broschüre standen!“
„Broschüre - ?“
„Zudem würde ich gerne von diesem entwürdigenden Gehänge an meiner Vorderseite befreit und mit echter Kunst behangen werden.“
Ich staunte. Dann fing ich mich wieder.
„Du weißt doch gar nicht, was da an dir hängt“, schnappte ich zurück, in der Hoffnung, dass der Mangel an Sehorganen die Wand im Großen und Ganzen blind zurückließ.
„Aber sicher weiß ich, was da an mir hängt!“ Die Stimme meiner Wand schlug an die Decke ihres wie auch immer gearteten Klangkörpers, überschlug sich wie ein Haufen junger Hunde, denen nur ein Futternapf zur Verfügung gestellt worden war, die aber trotzdem alle als erster fressen wollen, und trat daraufhin ihre gepeinigte Reise zurück in die Tiefen ihrer normalen Tonlage an. Dann erholte sie sich ein bisschen.
Ich nutzte die Stille zu einer kürzeren Tirade darauf, wie wenig ich es begrüßte mitten in der Nacht von meiner Wand aus dem Schlaf gerissen zu werden (an dieser Stelle fand sie ihre Stimme wieder und bemerkte spitz, dass ich überhaupt nicht geschlafen, sondern ans Fußende meine Bettes gestarrt hatte, warum, würde wohl auf immer mein Geheimnis bleiben. Kühn ignorierte ich sie.) und dass ich in keinster Weise weder beabsichtigte, sie, meine Wand, meine feste, treue, senkrechte Wand, umzustellen und somit ein Loch in meiner Behausung zu erschaffen, noch dass ich gewillt war, meinen kostbaren Raumschmuck in Form des letzten Abendmahls abzuhängen, geschweige denn durch etwas anderes zu ersetzen. Sie schwieg. Ich war zufrieden mit mir.
Dann, zu meinem allergrößten Bedauern, holte meine Wand tief und gut hörbar Luft und schoß zurück.
Ich legte mich wieder hin und rieb mir nun statt der Stirn die Augen, beide gleichzeitig, mit einer Hand, während ich die andere hinter meinen mit knotigen Haaren dekorierten Kopf legte. Meine Wand redete sich in Rage und schwang eine geräuschvolle Rede über die Rechte einer Wand, selbst einer kleinen, weißen und nur äußerst erbärmlich geschmückten Wand (an dieser Stelle überlegte ich ernsthaft, einen Kommentar zum Geniestreich des neuinterpretierten Abendmahls einzuwerfen, ließ es aber nach reiflicher Überlegung bleiben), die zu allem Übel auch nur mit der undankbaren Aufgabe betraut war, einer nichtigen Person wie mir Schutz zu bieten und nicht etwa jemand anderem, egal wem, Hauptsache jemand, der nicht ich war und vorzugsweise viel Geld für echten Wandschmuck besaß.
Irgendwann hörte ich nichts mehr und öffnete letztlich widerwillig ein Auge und dann auch noch das Zweite; hätte ich gekonnt, hätte ich daraufhin vermutlich auch noch das Dritte geöffnet, was sich allerdings als ungleich schwieriger erwies als es das mit den beiden davor gewesen war.
Trotz mangelnder Augenpaare aber sah ich in diesem Moment recht deutlich meine Wand neben mir bedrohlich zittern und leichte Wellen schlagen; ich warf einen kurzen Blick auf meine nächtlich ausgeschaltete Lampe und hätte schwören können, dass sie auch zusah.
Die sonst so ruhige und tatsächlich ansprechend statische Mauer mit ihrem weißen Verputz und besagtem epochalen Kunstwerk neben mir wand sich geradezu, schweigend, zum Glück, dafür um so wendiger; wer hätte gedacht, dass ein derart in sich ruhendes Objekt wie eine Wand a)ein so hitziges Temperament an den Tag legen und b)sich so verbiegen könnte. Ich fühlte mich beinahe schon ein wenig unwohl auf meinem doch so direkt neben der Wand liegenden Nachtlager und zog es kurz in Erwägung, selbiges zu verlassen, aber da war es auch schon zu spät.
Ehe ich mich wieder aufsetzen, mich meiner Haare und meiner Kleidung schämen, an meiner fettigen Stirn reiben und schlußendlich aufstehen konnte, ehe ich auch nur dazu kam mir zu überlegen, ob es sich lohnen würde, in der Zwischenzeit, bis die Gefahrenzone umschifft war, auf die Toilette zu gehen, ehe irgend etwas davon geschehen konnte hatte die Wand schonen einen letzten, energischen Schwenk durch ihre Gesamtheit beschrieben und dabei mit ungehörigstem Nachdruck das an ihr hängende Meisterwerk der zwölf Jünger, Jesus, Magdalena und mit Sicherheit einiger kleinerer Insekten, eventuell Nagetiere und unter Umständen ein paar Auren Verstorbener, von sich und somit auf MICH geworfen. Darauf folgte ein leichtes Seufzen, ein wohliges Zittern und, endlich, Ruhe.

Ich gebe zu, ein wenig perplex war ich schon, als ich so das letzte Abendmahl auf meinem Schoß liegen sah. Trotz allem entschied ich mich recht schnell dafür, präventiv einfach nichts zu tun und zog schlafen ernsthaft in Erwägung. Alles in Allem schockiert einen ja doch eher nur noch wenig.

Freitag, 9. Dezember 2011

Lemming-Mutationen als kurzphasig rezidivierende Mutation zwischen Lemmingen und Homo sapiens sapiens

Seit jeher beschäftigt sich die Evolutionsforschung mit dem Phänomen der Mutation. Bislang wurde allgemein angenommen, diese vollziehe sich nur innerhalb einer Gattung; neuen Forschungen zufolge muss diese Ansicht jedoch als überholt ad acta gelegt werden, denn aktuelle Studien zeigen eine deutliche intergattunsweise Mutationsfähigkeit. Diese wurde vor allem und mit überwältigender Häufung zwischen dem Echten Bergsibirischen Braunlemming, oder auch Lemming, und dem Menschen nachgewiesen. Diese zunächst absurd anmutende Entdeckung mag zwar durchaus bizarr, nichtsdestotrotz aber der Wahrheit entsprechend sein: nachweislich leben überall unter uns Homolemmingoiden und erfreuen sich ihres freudigen Daseins.

Der Echte Bergsibirische Braunlemming (lat.:Lemmus fuscus monti sibiriae lemmingii), gemeinhin aus der Biologie, dem Zoo oder Nicht Lustig bekannt als ca. hamstergroßes, hamsterförmiges Nagetier mit Hang zur erblichen Kollektivdummheit (Darwin 639) verkehrt in der Regel unter Seinesgleichen und pflanzt sich dort im Allgemeinen auch artkonform, häufig und vor allem ausschließlich untereinander fort. Dies ist auch unter den neuerlichen Gesichtspunkten noch gegeben und zudem ein saumäßiges Glück, was sollten wir denn mit den ganzen Lemming-Affe, Lemming-Giraffe, Lemming-Elefanten Mischlingen.
Doch trotz dieser scheinbaren Keuschheit dem Andersartigen gegenüber hat es der Lemming, das possierliche Tierchen ohne Individualbewusstsein (Sauer 327) geschafft, seine Gene in den Homo sapiens sapiens zu transmutieren, was zur optisch nach wie vor dem Menschen entsprechenden, im Verhalten jedoch sehr dem Lemming angepassten Unterart des Homo lemmus fuscus sapiens monti sibiriae sapiens lemingii exhauriens, oder auch Menschlemming, geführt hat. Zusätzlich zu dieser Eigenheit ist ein weiteres aufmerksamkeitseregendes Merkmal des Menschlemmings, dass die vorliegende Mutation eine kurzphasig rezidivierende ist; sie hält eine bestimmte Zeit an und geht daraufhin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in eine spontane Remission, sprich: sie tritt von Zeit zu Zeit ein, hält ein wenig an und gibt sich danach wieder, den Menschlemming in seiner ursprünglichen, bedauernswerten Ausgangsfrom des Menschen zurücklassend (House 12).
Beobachten lässt sich diese bahnbrechende Entwicklung auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Mutationsforschung (im Gegensatz zur plastischen Mutationsforschung; eine verachtenswerte Abart der plastischen Chirurgie, die sich ausschließlich mit der Frage nach der Möglichkeit, ein drittes Ohr auf der Bust wachsen zu lassen beschäftigt, damit ausnahmslos wertvolle Forschungsgelder verschwendet und bis auf eine leichte Vertiefung mit reichlich Ohrenschmalz und Haaren im Bereich zwischen den Nippeln nichts erreicht hat) insbesondere in Supermärkten, wobei jedoch auch unter im Labor nachgestellten, ähnlichen Bedingungen Effekte erzielt werden konnten, die dem Verhalten in freier Wildbahn annähernd gleich kamen.
Observiert man also über einen hinlänglich langen Zeitraum eine Theke im Supermarkt lässt sich folgendes beobachten: ist besagte Theke für eine kurze Spanne unbesetzt, bleibt die Futterstelle leer. Kehrt der Verkäufer, der in der Theke wohnt, allerdings an seinen angestammten Platz zurück und beginnt, einen etwaigen Menschlemming zu bedienen, folgen dem ersten dieser Gattung mit größter Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit noch mindestens fünf weitere Menschlemminge, und wollen die selbe Behandlung erfahren, um, einige Zeit später, mit Futter ausgerüstet wieder das Weite zu suchen, immer auf den Fersen ihrer progressiveren Artgenossen (Hair 1567). Zieht sich der Verkäufer wieder von seiner Theke zurück, bleibt die Menschlemmingschwämme aus, es herrscht Ruhe an der Futterstelle. Verlässt der Menschlemming jedoch sein natürliches Lebensumfeld, den Supermarkt, wieder, tritt die spontane Remission ein und er mutiert zurück zum Homo sapiens sapiens. In umgekehrter Form verläuft die Genwandlung beim Betreten des Lebensraums auf die selbe Art und Weise.
In Anbetracht dieser neuerlichen Ergebnisse könnte es nun zu weitreichenden Veränderungen in vielen Bereichen kommen: zunächst muss davon ausgegangen werden, dass jegliche Forschung auf dem Gebiet der Biologie bis heute kompletter Schwachsinn war und nochmal gemacht werden muss. Und wenn wir den ganzen Nachmittag dransitzen. Außerdem sollten sich die gemeinhin bekannten Supermarktketten neue Strategien zur Kundengewinnung durch den kollektiven Kopf gehen lassen (es bestehen bereits Vermutungen, dass die Remission bei Individuen, die einen zu großen Zeitraum ohne größere Unterbrechung dem Lebensraum Supermarkt ausgesetzt sind, über längere Sicht ausbleibt (Piririw 237)), beispielsweise Tunnelsysteme unter dem Supermarktboden, um dem natürlichen Buddelinstinkt entgegenzukommen etc. Kleine Lampen an der Decke, unter denen sich die Menschlemminge die Bäuche wärmen lassen können stünden auch zur Debatte. Aber vielleicht waren das auch Erdmännchen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein großartiger, wisensenschaftlicher Durchbruch erzielt wurde, der seinesgleichen sucht (und das sowas von ohne Lemminggene) und um jeden Preis weiterverfolgt werden muss. Deswegen jetzt ein kleiner Werbeblock, um Gelder für neue Forschungen einzunehmen:
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX (Werbetafel wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt. Der verantwortliche Werbefuzzi wurde geschnappt, gefesselt und solange mit rechtlichen Hintergründen über Plagiate malträtiert, als dass er schlussendlich unter Tränen aufgab und freiwillig ins Exil auf die Isle of Man ging(Aristoteles).)
Zu guter Letzt bleibt nur noch anzumerken, dass Mutationen SUPER sind, auch wenn sie wieder weggehen, man kann ja immer noch hoffen (Xavier).
Bleibt nur zu wünschen, dass wir nächstes Mal beim Bingo gewinnen und nicht wieder die Blödmänner von den Plastischen.


Works Cited

Darwin, Charles. The Hereditary Stupidity of the Lemming. Edinburgh: Lamarck & Moss, 1856. Print.
Sauer, Joscha. Lemminge und ihr bizarres Verhalten bezüglich Klippen, Messersets u.Ä. Frankfurt a.M: Sensenmannverlag, 2001. Print.
House, Greg. Oh,how I Hate those People and What the Hell is this Shit with the Annoyingly Furry Pets anyway. Princeton: EverybodyLiesPublishing, 2008. Sewn into human skin.
Hair, Lotsof. Es gibt kein Mein, es gibt nur ein Unser. Palolem Beach: Fuckinghippybooks, 1968. Handwritten on looots of drugs.
Piririw, Hannes. Damn it, still a Lemming. Wilhelma: Dukommschhiernetraus, 2011. Carved in dirt on ground.
Aristotle. Poetics or where the Heck is my- wait, what was I looking for? Trans. F. G. P. R. I. P. E. t. c. The Internet Classics Archive. Web Atomic and Massachusetts Institut of Stupidity, 17 May 352 b.C. Web 6 Oct. 352 b.C. .
Xavier, Charles. "Mutation rocks, you Idiot!" Mutation Monthly 17 Dec. 2002: 8-1827365. Lasered on Diamond. In form of a periodical. Freakishly heavy, believe me.
Sinatra, Frank. New York, New York. New York: New York Books. Well.
T., E. Nach Hause Telefonieren! Home, sweet home: Earthlingpubsandstuff, 1982. Transmitted in veeery strange noises from outer space...
Lincoln, Abraham. Weird Beards and Weirder Hats. Washinton Deasy: 1849. Quill on Parchment.
Moist, Very. It's rather moist in here, ain't it?! Schnibbidibbii, 679 years after Apocalypse. Transformed into human flesh and acted itself out by being very, very loud and annoying.
Schluss, Das ist Der. Alles hat ein Ende nur die verfickte Wurst hat zwei! This stupid place wherever Napoleon Dynamite lives: Right Now. Typed, im Schweiße meines Angesichts. Good Nite!

Montag, 14. November 2011

Big City Life

Move, don't stop. God, how I loathe this place here.

Ode an die Großstadt-

Menschen, überall Menschen, im Zeitraffer.
Autos, noch mehr als Menschen, und Hunde.
Ich mag keine Hunde, ich mag ihre Umgebung:
Städte (-Badewannen am Horizont der-)
Endlose Musik von irgendwoher, das Fenster ist offen,
Summer in the City, auch im Winter.
Hitze. Regen. U-Bahnen nachts um fünf und Döner.
Entscheidungsschwierigkeiten, da Überangebot.
Weite Strecken, Masterpläne, Fahhradfahren nachts
Ist der Unbegriff von Freiheit.
Nochmals Menschen, doch keiner kennt dich und
Keiner will dich kennen, Anonymous, we're all-
Straßenbahn von A nach B nach F, und Musik. Immer
Musik, von irgendwoher, Städte singen und wir fallen ein.
Breite Flüsse, Flussauen, ein bisschen Grün muss sein.
Brücken und Straßen und wieder Menschen- Rückzug, trotz
Allem: Musik. Das Fenster ist offen, die Stadt ist immer
Da, auch wenn du es nicht bist.
Es fehlt mir, das Leben, ich kann mich nicht
Verirren, HIER-
Alle Wege führen an den selben Ort, ich will
Verloren gehen in meinem Denken, abdriften und doch
Nicht alleine sein.
Die Stadt ist die Rettung, auch wenn sie mir Angst macht.
Keiner, der zweifelt, versteht
Was die Stadt sagt, wenn sie singt,
Und sie singt- immer.