Sonntag, 11. September 2011

Gelbes Blatt auf Fensterbrett und schwaches Verblauen verschiedener Banalitäten

Das Leben ist nicht lustig (meistens).
Das Leben ist eine einzige Verkettung anstrengender Zufälle, auf die man herzlich wenig Einfluss hat, aber trotzdem damit leben muss, als ob einen jemand gefragt hätte, als ob.
Manchmal ist das Leben gut zu einem, zu uns verweichlichten Mitteleuropäern öfter als zu anderen, und trotzdem finden wir noch unzählige Spitzen in der Wand, an denen wir uns die Haut aufkratzen können, um dann durch die Ritzen in der Oberfläche unser verfaultes Inneres anzusehen und uns zu denken so eine Scheiße, und es könnte alles noch viel schlimmer sein und wenn ich nicht aufpasse wirds das auch, nachher fliegt morgen ein Flugzeug in mein Haus, wer weiß das schon so genau; die Welt ist verrückt geworden, vor langer Zeit schon, und gelegentlich setzt sie ihre Medikamente ab und schnappt noch ein bisschen weiter über und zieht uns mit über den Rand ins Nichts.
Tatsächlich glaube ich ja auch nicht, dass man auf einmal als verhungertes somalisches Kind wieder aufwacht, nachdem man sich nach einem durchschnittlich dekadenten Abend mit Wein und Fernsehen in sein satinig bezogenes Bett gelegt hat, nein, aber betrachtet man die große und durchaus aufwendig gestaltete Ansammlung von Unvorhersehbarkeiten im Bereich des komplett Beschissenen ist es doch eigentlich ein Wunder, nicht völlig derangiert, totkrank oder zumindest ein arbeits- und obdachloser Haufen Kacke in der Auffahrt des Großen Ganzen zu sein. Und in Türme fliegende Flugzeuge ist ja nur ein Bruchteil- das Leben ist ein Virtuose des Makabren.
Was also tun? Es gibt keine falschen Entscheidungen. Es gibt GAR keine Entscheidungen. Wir bilden uns zwar ein, alles im Griff zu haben, wenn alle Rechnungen bezahlt sind und die Katze gefüttert ist; letztendlich, unseren arroganten Augen vorenthalten, hatten wir aber nur Glück, dass die Katze am Abend überhaupt zurückkam und nicht, wie eventuell kurz angedacht, einfach weitergzogen ist, um uns unserem armseligen Dasein in trügerischer Sicherheit zu überlassen, resigniert ob unserer Dummheit.
Die überwältigende Mehrheit aller Menschen führt in ihrem Leben nur eine einzige Beziehung, die nicht in die Brüche geht (wenn überhaupt)- welch erhabener Schnitt.
Die meisten Menschen setzen sich in ihre teuren Autos und halten sich damit für kugelsicher, gehen auf die Straßen und rasen ihrem Ende entgegen, ohne sich bewusst zu sein, dass der Tod (der mit den Großbuchstaben) währenddessen auf der Rückbank sitzt und eine Illustrierte ließt.
Die wenigsten gehen abends ins Bett und sagen, danke, wer auch immer, dass ich nicht tot bin- obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass ich es nach meinen 12, 26, 61, X Jahren bereits wäre doch erschreckend groß, gegenwärtig und verschwörerisch zitternd ist. Fuck.
In Afrika haben Entwicklungshelfer Kondome verteilt und die Afrikaner haben sie an ihre Haustüren genagelt, um die Götter zu besänftigen und vielleicht ein bisschen länger zu leben, während weitere Myriarden von HI Viren es sich in ihren fragilen Körpern gemütlich machen, gemeinsam Möbel kaufen gehen und über Kinder nachdenken.
Nur ein Stück Gummi, an einer Stelle lebensrettend, an anderer exzentrische, aber nutzlose Dekoration.
Das Leben ist nicht lustig und trotzdem leben wir weiter. Kein kollektiver Massenselbstmord außer bei der ein oder anderen einschlägigen Sekte und Lemmingen. Kein kollektiver Massenwahnsinn, obgleich die Zeichen doch besser nich stehen könnten.
Warum also, hm? Schokolade? Schaukeln? Die eine etwaige Beziehung, die NICHT auf der Strecke verreckt und wieder ein bisschen mehr von einem selbst mitnimmt, bis man nur noch ein halber Mensch ist, bis man sich ZYNISMUS auf die Stirn tätowieren und einen mentalen Baseballschläger zur spontanen Abwehr unerwarteter Annäherungsversuche unter dem Bett deponieren will?
Ich hab ja so keine Ahnung. Ich weiß aber folgendes: Freunde helfen, die Angst vor dem Großen Ganzen mitsamt seiner verkackten Auffahrt ein bisschen im Zaum zu halten. Schokolade hilft schon auch, aber nicht so sehr. Verstecken hilft NICHT, das LEBEN FINDET DICH. Baseballschläger helfen nur so lange, bis man vor lauter Unglück den eigenen Schädel damit zertrümmern will.
Also leben wir eben weiter. Dümpeln in unserer ganzen Mittelmäßigkeit dahin, gelegentliche Glücksfälle und/oder Drehungen um die eigene Achse nicht ausgeschlossen. Ärgern uns über Geschlechtergenossinnen, die dem Wort "Mäuschen" eine ganz neue Konnotation geben und nehmen uns ein weiteres Mal halbherzig vor, in Zukunft weniger Bier zu trinken und vor allem hinterher weniger truckerish zu rülpsen- in der seltsamen Annahme, Vertreter gegengeschlechtlicher Art könnten gar zu abgestoßen sein und sich auf die Mäuschen zurück besinnen.
Man lebt weiter, wie immer, und sammelt dabei erste vergilbte Herbstblätter auf. Hofft ein bisschen und versucht sich dabei einzureden, dass Hoffnung NICHT völlig überbewertet wird und es vielleicht doch noch Grund zur (-.. ) gibt.
Man könnte sich gelegentlich vergegenwärtigen, dass nichts, in Worten: NICHTS selbstverständlich ist, nicht in Mitteleuropa und auch nicht, im Falle des persönlichen Daseins als Kondom, in Afrika- da sieht man mal: selbst Gummischläuche können den falschen Weg gehen. Menschen gehen ständig falsche Wege- oder nie. Vielleicht sollte man sich einfach vom Leben berieseln, es auf sich regnen lassen und akzeptieren wer oder was da so kommt. Die unterschwellige Unlustigkeit hinnehmen und froh darüber sein, sich den Kopf über Luxusprobleme kaputtdenken zu können und nicht durch das eifrige Festnageln farbenfroher Kondome mit und ohne Geschmack an die eigene Haustür davon abgehalten zu werden- oder alternativ auch davon, dass man eben doch bereits tot ist, dafür aber ein Flugzeug im Büro stecken hat.
Sich nicht so viele Gedanken über die eigenen Entscheidungen machen.
Als ob wir denn überhaupt eine Wahl hätten.
Als ob.

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