Freitag, 6. Juni 2014

plus-size nonsense



Irgend jemand hier schon mal von Robyn Lawley gehört? Nein?
Robyn Lawley ist Australierin, eine ziemlich attraktive noch dazu, sie ist nämlich ein Model. Ein plus-size Model.
Das kennt jetzt keiner. Und eigentlich ist es schon Zeichen genug, dass unsere Gesellschaft so etwas braucht, ein plus-size Model, ein Model nämlich, das eigentlich eher normal-size heißen sollte, im Gegensatz zu den unzähligen Kleiderständern mit Haaren, die im Grunde eher als minus-size bezeichnet werden sollten. Denn das, was hier als Norm gepriesen und von unzähligen (nicht immer nur) jungen Frauen viel häufiger viel radikaler, als man denken mag, angestrebt wird, ist irgendwie nicht das, was mein Kopf, der jetzt doch schon seit geraumer Zeit durch die Welt läuft und sich die gängigen Geschlechtergenossinnen anschaut, unter der Norm verbucht hat. Die Norm ist nicht Größe 34, die Norm ist wohl eher irgendwas um die 40, Schwanker nach oben wie unten inbegriffen. Und trotzdem versucht Frau auf Teufel komm raus, anders zu sein, als sie ist, Kollateralschäden werden mit einem Magenknurren und Schulterzucken weggewischt und der Körper wird mit Brachialmethoden geändert - weil das, was einem auf der neuen Cosmo entgegenguckt halt eben einfach doch nicht Norm ist, sondern Abnorm, was aber aus ziemlich bizarren Gründen zum Ideal erkoren wurde, scheinbar. Da kratzt man sich doch den Bart und fragt sich: hmm. Muss das sein?
Robyn Lawley also hingegen trägt Größe 42, soweit ich weiß. Sie ist auch 1,88m groß, da ist das okay. Es ist auch mit 1,70m okay, würde ich sagen, wenn man sich dabei gut fühlt, aber das jetzt nur am Rande.
Und besagte Dame wird nun also als plus-size model geführt, und was sind nicht wieder alle Modemagazinmacherinnen stolz, wenn sie so jemandem auf ihrem Cover haben. Habt ihr schön gehört! Mein Covermodel trägt Größe 42, konspirativflüster, sie fühlt sich - Stimme wird noch leiser, es könnte ja wer hören - wohl dabei, und ich - ICH - habe sie aufs Cover genommen verleiht mir den Friedensnobelpreis jaja natürlich die nächste wird wieder Size Zero. Wir wollen ja mal nicht übertreiben, Salatstocher und ach, was habe ich jetzt nicht wieder über die Stränge geschlagen.
Ja. Genau. Fühlt sich das für noch jemanden außer mir nach knochendürrer Heuchelei an?
Versteht mich nicht falsch. Ich liebe die Tatsache, dass Menschen wie eine Robyn Lawley Erfolg haben, dass die ganzen Kat Dennings und Beth Ditos da draußen langsam als echte Menschen und nicht nur als wandelnder Kontrollverlust wahrgenommen werden. Was mich nur aufregt ist die Tatsache, dass darauf hingewiesen werden muss, dass es extra publik gemacht werden muss, dass sich irgendwelche Modeischen auf die Schulter klopfen können, weil sie ein plus-size Model auf dem Cover haben. Sollte das nicht irgendwie ... normal sein? Normale Frauen auf Zeitschriften zu drucken, die von anderen normalen Frauen gelesen werden? Könnte man sonst nicht eigentlich auch einen Stock mit Perücke ins Gucci-Fähnchen stecken und dem dann andächtig applaudieren?
Ja. Ich weiß, es ist ein müßiges Thema. Die Welt redet sich den Mund darüber fusslig, seit ich denken kann. Alle sind sich ganz furchtbar einig, dass etwas passieren muss. Dann stirbt mal wieder eine Magersüchtige und alle sind total aufgeregt, denn oh mein Gott! Die Medien, pfui!
Leider ändert sich alles eben nur sehr schleppend. Frauen in amerikanischen Filmen wie Serien sehen immer nur eher nach heute-esse-ich-nur-Gurke als nach ich-liebe-Schokolade-und-stehe-dazu aus. In Europa leben wir in ein wenig komfortableren Verhältnissen, aber auch hier ist die echte Norm doch mehr Accessoire der städtischen Fußgängerzonen als der Werbeplakate und Fernsehshows.
Man könnte jetzt sagen, mir egal. Ich schau nicht hin. Und ja, sagen kann man viel, leider kriechen die subtilen Botschaften aber eben genauso auch in die Köpfe der heranwachsenden, zukünftigen Hungerkünstlerinnen. Kann man sagen, was man will, nach zehn Staffeln Friends fühlt man sich einfach fett, da mache ich keine Ausnahme, gloreicher Post hin oder her. Fakt ist aber, ich bin schon so weit, dass ich mich damit nicht (mehr) verrückt machen lasse. Mädchen, die vielleicht halb so alt sind wie ich, sind da aller Wahrscheinlichkeit zu großen Teilen beeinflussbarer.
Was ist jetzt also das Fazit meiner Hetzerei, fragt man sich. Plus-size Models sind ihr nicht recht, dürre TV-Show Chicks auch nicht, eigentlich findet sie nur mal wieder alles scheiße und will darüber meckern, wie kacke die Welt doch ist. Aber, nein, eigentlich nicht.
Fakt ist: ich finde plus-size Models großartig. Nur der Name ist überdenkenswert, wobei eine Änderung des plus-size Model zum schlichten "Model" damit einhergehen müsste, dass die von mir als solche enttarnten minus-size Models endlich mal anfangen sollten zu essen. Alle Models sollten plus-size sein, oder eben einfach das, was die überwältigende Mehrheit von uns sowieso ist: normal. (Wer von Natur aus Size Zero trägt muss sich deswegen jetzt keinen Winterspeck anfuttern - "normal" ist ja ein dehnbarer Begriff und steht eigentlich eher für "natürlich". Und wer eben natürlicherweise dünn ist, der soll dünn bleiben.) Im Grunde rege ich mich gerade nur über die kranke Gesellschaft auf, in der normal falsch ist, schlank dick und demnächst wahrscheinlich noch der dritte Arm auf der Brust in Mode kommt und als absolutes Muss an die Massen getragen wird, solange es nur einer vormacht. Und die Massen machen ja scheinbar mit.

In diesem Sinne -

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