Donnerstag, 20. Dezember 2012

Die Sache mit dem Jahresende



Jahre gehen zu Ende, in der Regel; zumeist am 31.12., obwohl man sich da dieses Jahr ja nicht so sicher sein kann. Vielleicht gehen wir auch morgen alle mit apokalyptischem Inferno in der Feuerbrunst unter - obwohl, wer weiß? Vielleicht ist der Weltuntergang ja gar nicht so spektakulär. Vielleicht geht auch einfach der Bildschirm aus, zzp! Als wäre jemand übers Kabel gestolpert und hätte dabei den Stecker gezogen. Hups. Das wollt ich jetzt aber nicht.
In jedem Fall aber sticht auch dieses Jahr 2012 mit Inbrunst auf sein Ende zu. Das heißt, falsch: es mäandert gemächlich, bleibt an Schaufenstern stehen und schaut sich die Auslagen an, spätabends, die Weihnachtsdeko glitzert im Hintergrund vor sich hin und von irgendwoher zieht Glühweindunst heran, wallt über das Kopfsteinpflaster und verkriecht sich in uralten Ritzen von uraltem Gemäuer. Allerdings tut es das erst seit heute, zumindest in meiner Welt. Bis ca. 14.00 des heutigen Tages hatte mein Jahr andere Probleme als das nahende Ende - gelegentlich kann man das ja schon mal vergessen. Unbedeutende Details.
Bis heute war mein Jahr in Habachtstellung, hat sich über die Feiertagsschleicher in der Innenstadt geärgert und ist mit genervtem tss an ihnen vorbei gezogen, sobald sich eine Lücke bot. Hat mit unendlich vielen Zetteln und To Do Listen versucht, Ordnung ins immense Chaos dieses Daseins zu bringen (mäßig erfolgreich, bin immer mal wieder erstaunt, wie ich irgendetwas auf die Reihe bekomme). Und hat sich dann mal dabei von außen betrachtet und sich gefragt: bin das eigentlich wirklich ich? Die, die da in der Bib hockt und die Literaturtheorie wälzt als sei sie der Masterplan? Die keine Lust mehr zum Lesen hat, weil sich die Sekundärliteratur schon bis ins obere Stockwerk stapelt und abgearbeitet werden will? Und die, wenn sie dann doch mal ein Buch in die Hand nimmt, seltenst eins darin wiederfindet, das nicht Pflichtlektüre in irgendeinem Kurs ist?
Antwort: Ja. Irgendwie bin ich das auch. Und manchmal find ichs sogar ganz okay.
Antwort: Ja. Bin ich. Und ich steh drauf.
Antwort: Nein. Bin ich nicht und ich hasse es, so sein zu müssen.
Antwort: Nein. Oder, nur in Teilzeit.
Gegenfrage: Wenn ich das nicht bin, wer dann? Und, wichtiger, lässt sich die Alternative ohne die oben genannte Persönlichkeit überhaupt durchziehen? Und: bin ich jetzt zwei Personen deswegen?
There are two dogs living inside of me, and the one I feed will grow.
Und der andere?
Beide zu füttern, am Leben zu erhalten, parallel existieren zu lassen - das geht nicht. Es ist nur genug Futter für einen der beiden da. Wenn ich versuche, beide damit zu füttern, dann werden beide eingehen. Und dann, was bleibt dann übrig? Ihr seht, geht nicht.
Wie auch immer. In jedem Fall geht das Jahr demnächst in die Binsen, rollt sich zusammen und wirft sich weg. Mit welchem meiner beiden Hunde (Ich frage mich, warum gerade Hunde. Um in binären Denkweisen - darin sind wir ja ganz groß - zu bleiben: wahrscheinlich, weil Katzen einem eher den Finger zeigen würden, als es einem Menschen zu überlassen, welche von beiden jetzt überlebt. Alternativ hätte man aber auch Frettchen oder kleine Leguane nehmen können. Aber gut, wir schweifen ab - ) ich nun ins neue Jahr gehen werde - who knows? Vielleicht gehen wir auch alle in gar kein neues Jahr, sondern segnen am Freitag kollektiv das Zeitliche. Gehen über den Jordan. Schauen uns die Gänseblümchen von unten an (sofern es dann noch welche gibt). Vielleicht sollten wir mal die Zeugen fragen, was der angebrachte Terminus ist und was uns hinterher erwartet, die scheinen da ja Erfahrung zu haben (nach so viel political incorrectness sollte ich es jetzt eigentlich gut sein lassen, aber wir wollen mal nicht so sein, hm?).
In jedem Fall, das Jahr war kein ganz Schlechtes. Ist viel passiert, nicht nur bei mir. Man macht Fortschritte in unbestimmte Richtungen, aber zumindest tut sich was. Wir sind alle noch da und den meisten geht es gut, man hofft, es bleibe so. Und trotzdem - wenn das Leben dann mal aufhört zu rennen, wenn der Moment kommt, ab dem man wieder Zeit zu atmen hat, Zeit, in der Stadtbücherei rumzusitzen, Zeit, durch die Stadt zu mäandern und Schaufensterauslagen anzustarren ohne sie wirklich wahrzunehmen; dann, ja dann! Wird man melancholisch. Schon wieder n Jahr. Und, wo bin ich jetzt? Da, wo ich sein wollte? Wo will ich denn eigentlich sein? Was wollte ich überhaupt erreichen; das hier, oder doch was ganz anderes?
Und während man also ohne größere Energien aufs Fokussieren zu verschwenden in die Glasscheiben starrt, aus denen man nur selber dümmlich zurück glotzt, hinter einem die Leute hektisch letzte Weihnachtsgeschenke kaufen und die Temperaturen wieder eisern fallen, ohne sich davon ablenken zu lassen, dann grübelt man und grübelt und kommt sowieso zu nichts. Tut man nie.
Jahresende. Jedes Jahr das Gleiche. Wir resümieren und fragen uns: war das gut so, bin ich zufrieden? Manche von uns sind das wohl leider nie. Vermutlich gehöre ich da auch dazu. Aber immerhin! Ich bin in keine neue Stadt gezogen dieses Jahr.
Alles in allem, Melancholie hin wie her, die Weltformel habe ich immer noch nicht aufgestellt. Aber ich bin ihr doch mindestens ein Stückchen näher gekommen, zumindest innerhalb meines kleinen Kubikmeter Leben. Und über Hunde, die mich von innen anbellen, Persönlichkeiten, die sich um die Vorherrschaft streiten und der ganze Mist, darüber denke ich dann im neuen Jahr nach. Oder zumindest erst nach den Feiertagen (hohoho, Fressen für den Frieden, as every year!). Und bis dahin isses halt, wies ist.

Und falls es das morgen wider aller Erwartungen doch gewesen sein sollte (wenns denn echt so is, dann lach ich aber. Die Zeugen sagen den Untergang 216 Mal voraus und wir leben immer noch, und dann kommen die Mayas und machen einmal die Klappe auf...): Es war wundervoll, euch gekannt zu haben. Wir sehen uns im Jenseits.

Skål!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen