Sonntag, 6. März 2011

Und wenn das Leben Frieden erfunden hat, dann gegen vier, morgens im Juli.

Die ersten Sonnenstrahlen zwängen sich hartnäckig vom blass-blauen halb Nacht halb Morgen Himmel herab durch das östlich gerichtete Fenster, das sich über den Besuch freut und keine Anstalten macht, ihn abzuweisen. Ein Vogel fliegt ohne sich Gedanken über Sicherheitsabstände zu machen daran vorbei; seine Flügel durchschneiden hörbar die dünne Morgenluft- die Stille des Tages, der eigentlich noch gar nicht angefangen hat.
Ich sitze auf dem Fensterbrett und sehe der Welt beim Wachwerden zu, bevor ich schlafen gehe und den Tag Tag sein lasse.
Lange, laue Sommernächte. Offene Fenster, Marienkäfer an der Wand, der weisen.
Die eine halbe Stunde des halbgaren, halbfertigen, halbhellen Tages, in der Mensch schläft und die Vögel die Zeit nutzen, um sich die Seele aus dem Leib zu schreien trillern zirpen zwitschern. Die Abstufungen der Grade der Dunkelheit, die, jeden Tag aufs Neue, langsam, virtuos und angeberisch alles Blau der Welt durchlaufend heller werden, die Sonne hinter sich hervorschieben salutieren und ins Bett gehen wie ich, mal bunter, mal weniger bunt.
Meistens sind die Nächte dunkel und, im Hochsommer, zu großen Teilen kurz. Nächte, die man schnell durchwacht hat ohne wirklich aufzupassen.
Man steht am Fenster und guckt nach unten, fünf Stockwerke, irgendwo läuft Hindi Musik- emotionaler Rückfall in lang vergangene Tage vorprogrammiert, muss man so verdammt durchschaubar sein, Auferstehung vor Tagesanbruch. Grübeleien übers Leben und unscharfe Harmonien im Kopf, jemand geht aufs Klo und spült nicht.
Die Schwärze schrumpft, Blau tuts auch. Musik, übers Ohr. Ein bisschen traurig sein, bevor wir hier noch glücklich werden.
Mehr Blau, und hell, helles Blau. Dickes Blau, ohne den geringsten Zweifel an sich und mir und euch und allem, dem Leben als solchem und dem ganzen Rest, ohne einen Gedanken an den Sinn von Blau zu verschwenden oder auch nur drüber nachzudenken einen daran verschwenden zu können, wem hilfts. Eine einzige zuckerwattige Wolke mäandert hindurch und summt leise, ich hebe die Hand und winke- sie winkt nicht zurück, womit auch.
Und wenn das Leben Frieden erfunden hat, dann gegen vier, morgens im Juli.
Die erste helle, gelbe Wärme, die es über die Unebenheiten des Geländes auf den eigenen Körper schafft und schon vor dem ersten Kaffee voller verschwenderischer vernunftloser Dekadenz brennt- nur keine falsche Bescheidenheit. Große, grüne Bäume im protzigen Frühmorgengegenlicht und auf dem Dach gegenüber liegt ein verlassenes Badehandtuch und wartet auf seinen Besitzer.
Die meisten Rolläden sind unten und verbergen schlafende schnarchende Gestalten, halbherzig, mit ungezählten zahlreichen Schlitzaugen das Licht aufsaugend und damit die Schlafenden bewerfend statt bewachend, Tagesanbruch und Sonnenaufgang. Die Welt, wie sie ist und immer sein sollte lasst sie bloß schlafen wir sind zufrieden so und so solls bleiben.
Wunderbare Einsamkeit im Zwielicht, nichts, das stört.
Endlich, endlich, Ruhe; ein Atemzug, ein aus.
...
In der Ferne sehr verzeinzelte Autos, aber eigentlich noch Stille, gut hörbar, laute, dröhnende Stille bei indirekter Blaubeleuchtung. Das Leben ist so leise (nur morgens) und so riesengroß (immer), dass dir die Ruhe ins Ohr schreit. Meditative Andacht im blauen Morgengrauen.
Irgendwo geht ein Fenster auf, in weiter Ferne ein monotoner Wecker in Dauerschleife, ich weiß nicht ob ich den Erfinder der Snoozefunktion hassen oder lieben soll und entscheide mich dafür, mich nicht zu entscheiden, denn darin bin ich gut.
Der Tag ist da und alle sind erstaunt wie schnell das wieder ging, schon wieder einer sowas.
Ich weiß immer noch nicht wohin mit mir.
Vielleicht doch Zeit, ins Bett zu gehen.

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