Sonntag, 16. Februar 2014

London-ish


Eine Stadt in schwarz und weiß and an expressionist painting -
ein Einbeiniger im Rollstuhl sammelt halbaufgerauchte Zigarettenstummel vor dem Ritz, zündet sie wieder an und raucht sie bis zum Filter. Ein Mann mittleren Alters sitzt auf dem überlaufenden Leicester Square, sein handgeschriebenes Pappschild erzählt von Jobverlust, Obdachlosigkeit - und er dankt dir ernsthafter für die 30 pence, die du ihm gibst, als manch anderer für größeres gedankt hat in letzter Zeit.
Unweit davon kreischen die Massen George Clooney über den Teppich, er strahlt und verteilt großzügig Autogramme; er ist ganz oben, weiter geht nicht, er kann sich sein Strahlen und seine Autogramme leisten.
In den Tiefen der U-Bahnstation sitzt ein Gitarrist und spielt die Massen zur Ruhe, Entschleunigung; ein Moment, eine kleine, schillernde Blase im kollektiv nachhause trampelnden Feierabendverkehr.
Und inmitten aller ein Saxophonist, ein Fleckchen Gold und darüber schwebend, Jazztöne, weich und langsam, ein Netz aus Tönen, in denen sich die Horde verfängt, während sie rennt und rennt, im Kunstlicht und der Kälte.
Was man so trägt -
Nur Chinesen laufen in aller Öffentlichkeit mit Mundschutz herum. Alle laufen mit ihren Smartphones vor der Nase herum; am Tisch neben mir sitzt eine Frau, die einen Bauch mit sich herumträgt, einen schwangeren, dazu eine Tüte mit der Aufschrift "The Portland Hospital". Die meisten tragen Taschen, Rucksäcke, Tüten; und viele: Schal, bei den Temperaturen. Mützen, Handschuhe, die gelegentliche Sonnenbrille, es ist sonnig und wir sind in London. Das Gebäude gegenüber trägt Gerüst, das ziemt sich so.
Eine junge Asiatin (ohne Mundschutz) trägt einen schwarzen Rucksack, auf dessen Oberfläche gleichmäßig verteilt grellgelbe Stoffstacheln in die Luft stechen, seltsam deplatziert wie die Mandelstifte, die man als Kind in schokoladenüberzogene Birnenhälften gesteckt und das ganze "Igel" genannt hat.
Viele tragen sehr große Brillen. Ein Mann, vielleicht 25, trägt eine senfgelbe Wollmütze, darüber große Kopfhörer, aus denen Musik kommt, die mysteriöserweise denselben Takt anzuschlagen scheint wie die Musik in dem Café, in dem ich sitze. Seine Schritte passen sich nahtlos in den Pop der Lautsprecher über meinem Kopf ein, die großen, silbergrauen Papiertaschen, die er symmetrisch trägt, wippen gehorsam mit. Eine Fahrradrikscha trägt sich scheinbar schwerelos am Fenster vorbei - abfallender Straße sei Dank, sitzen doch drei Menschen auf ihrem kanariengelben und schwarz überdachten dreirädrigen Gestell. In London sind die Leute auch nicht leichter als in Indien.
Hinter mir trug wohl jemand ein Tablett, bis eben. Blecherner Krach, der auf dem Boden aufdotzt und sich kurz darauf wiederholt, schwächer, dann nichts mehr. Wahrscheinlich bückt sich jetzt jemand, ächzend, eine Hand auf der Schürze abstützend. Dann trägt er es weiter.
Immer weniger Leute scheinen Zigaretten zu tragen. Der Buckingham Palace trägt einen Union Jack. Manch einer trägt einen pikierten Gesichtsausdruck. Der angejährte Mann auf dem Gehweg trägt eine schwarze Pelzmütze zu Anzug und Aktentasche, mein schwarzer Mantel trägt Flecken.
Ich trage es mit Fassung.
Und dann steigt man in den Bus und steigt in Wales wieder aus. Reduziert sein Umfeld von 8 Millionen auf 7 Einzelindividuen und Pferde. Und fragt sich, was man hier eigentlich tut - aber das, meine Lieben, wird sich zeigen.



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